Rukmini Rao, langjährige Aktivistin in der indischen Frauenbewegung und ASW-Partnerin vom Centre for World Solidarity (CWS) war vom 5.-15. Juni auf einer Rundreise durch Deutschland unterwegs. Auf ihren insgesamt 8 Stationen sprach sie zu „Frauenrechte weltweit im Krisenmodus – Neue Allianzen und Perspektiven aus dem Globalen Süden”.
Und trotz der schwierigen Lage machte sie ihren jungen sowie älteren Zuhörer:innen immer Mut: „Gebt niemals auf! Macht weiter Druck! Veränderungen brauchen Zeit, aber eine andere Welt ist möglich.”
Globale Partnerschaften: koloniale Beziehungen hinter uns lassen, lokale Selbstständigkeit fördern
Zu Beginn ihrer Vorträge betonte Rukmini den Modellcharakter der über 30-jährigen Zusammenarbeit von ASW und CWS. Aus anfänglicher Inspiration und finanzieller Unterstützung durch die Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt in Deutschland und durch das gemeinsame Ziel, Visionen und Projektarbeit für Entwicklung nicht kolonial zu gestalten, wurde das indische Centre for World Solidarity. Eine Organisation, die für ein Leben in Würde für Alle eintritt und dörfliche Gemeinschaften unterstützt, durch Selbstorganisation Selbstständigkeit und ein inklusives Miteinander zu erreichen.
Dies geschieht in 6 Projektgebieten in 6 zentral- und südindischen Bundesstaaten. Zentrale Unterstützungsmaßnahmen sind dabei, so Rukmini Rao, die Vermittlung von rechtlichen Grundlagen für die Gleichberechtigung von Frauen und benachteiligten, indigenen oder durch das Kastensystem diskriminierte Gruppen; finanzielle und fachliche Unterstützung für nachhaltige Landwirtschaft für Ernährungssicherheit und Einkommenssteigerung; und nicht zuletzt die Unterstützung beim Zugang zu lokalen politischen Institutionen zur Teilhabe an demokratischen Prozessen.
Dazu kommt die Sicherstellung der Versorgung mit sauberem Trinkwasser und die Sanitärversorgung – wie die anderen sei auch diese Maßnahme Teil eines globalen Prozesses, nämlich der United Nations Sustainable Development Goals (SDGs, Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen).
Für die Umsetzung solcher grundlegender Arbeit an der Basis, um soziale Ungleichheiten abzubauen, stelle die ASW mittlerweile nur noch einen kleinen Anteil der Finanzierung, da sich das CWS ausgehend von ASW-Unterstützung über die Jahre mit weiteren internationalen wie lokalen Geldgebern weitere Finanzierungsmöglichkeiten aufgebaut und seine Arbeit verstetigt habe. Wie viele Organisationen im Land arbeite das CWS fortwährend mit dem Ansatz “small is beautiful” und “let a thousand flowers bloom” lokal in seinen Projektgebieten und vernetze sich darüber hinaus, damit die Arbeit für nachhaltige soziale Veränderungen an den Graswurzeln an immer mehr Orten im wahrsten Sinne des Wortes aufblühen kann.
Indische Frauenbewegungen für Unabhängigkeit, Landrechte, geschlechtergerechte Gesetze
“Frauen werden mehr oder weniger in jeder Gesellschaft diskriminiert. Indien ist da keine Ausnahme”, setzt Rukmini das Thema Frauenrechte weltweit in Perspektive. Ihr Fokus liegt aber darauf, wie sich Frauen in Indien organisieren: von der Unabhängigkeitsbewegung gegen die britische Kolonialherrschaft in Indien, für Landrechte, gegen Preissteigerungen, für geschlechtergerechte Gesetzgebung und zum Schutz von Frauen, die Gewalterfahrungen z.B. in ihrer Ehe ausgesetzt sind. Hier liegt auch der Ursprung von Rukminis eigenem Aktivismus in den 70er-80er Jahren in der indischen Hauptstadt Neu Delhi, in der sie sich angesichts zunehmender öffentlicher Berichte von Todesfällen von jungen verheirateten Frauen mit einigen Freundinnen zusammentat, um auf eigene Kosten Zufluchtsräume für vor Gewalt Schutz suchender Frauen bereitzustellen. Mittlerweile habe die indische Regierung die Bereitstellung solcher Schutzräume (“shelter”) endlich flächendeckend übernommen – nach gut vierzig Jahren beharrlichen Engagements und Drucks indischer Frauenbewegungen.
Neben diesem Aktivismus im städtischen Indien berichtet Rukmini auch davon, wie sie sich heute insbesondere für die praktische Umsetzung der verfassungsrechtlich fortschrittlichen Gesetzgebung Indiens für Frauen insbesondere in benachteiligten Gruppen und Gemeinschaften im ländlichen Raum einsetzt. Besonderes Augenmerk legt Rukmini bei ihren Präsentationen auf die indigenen Adivasi-Gemeinschaften, die 8% der Bevölkerung ausmachten und zu 80% vertrieben seien von den Orten, an denen sie traditonell in funktionierenden sozialen und ökologischen Strukturen lebten.
“Adivasi-Gesellschaften sind keine kapitalistischen Gesellschaften...vor allem wenn wir vom Klimawandel sprechen, haben indigene Gemeinschaften Weltanschauungen, von denen wir lernen können. Es findet ein Prozess der Auslöschung ihrer Lebenswelten statt. Aber sie wehren sich. Die Menschen der Mittelschicht sollten ihnen ihre Weltanschauung nicht aufzwingen, sondern ihnen helfen. Wir alle müssen uns anhören, was sie zu sagen haben."
In Zeiten von zunehmender Rohstoffnachfrage und -ausbeutung von Waldgebieten und klimatischen Veränderungen mit existentiellen Folgen für Adivasi-Gemeinschaften sind diese ein Beispiel für lokale Kämpfe, die eng verbunden mit globalen Fragen sind. So betont Rukmini weiter, etwa gegenüber den Zuhörer:innen an Schulen in Dortmund: “Was ihr als junge Menschen tun könnt, ist, euch bewusst zu machen, dass alles, was ihr tut, Auswirkungen auf lokaler und globaler Ebene hat. Platz in eurem Umfeld zu schaffen für Menschen, die weniger privilegiert sind...”. Dabei ruft sie auch immer wieder Worte Gandhis ins Bewusstsein: “there is enough in the world for everyone’s need, but not for everyone’s greed” .
Wir brauchen gesellschaftliche Vernetzung für sozialen Wandel und soziale Gerechtigkeit
Während die Regierungen von Nationalstaaten sich bekämpfen, schaffen wir Verbindungen und Vernetzung zwischen den Menschen, sagt Rukmini aus der Perspektive feministischer Zivilgesellschaft in der südasiatischen Region. Sie macht deutlich, wie lokal effektive Veränderungen über zahlreiche Kanäle gleichzeitig erkämpft werden: über globale Institutionen wie die Vereinten Nationen und zivilgesellschaftliche Alternativorganisationen wie das Weltsozialforum; ebenso wie in lokalen, regionalen bis hin zu überregionalen Netzwerken und Plattformen, welche Menschen zusammenbringen um ihre Bedürfnisse zu artikulieren und für Anerkennung, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung zu kämpfen – seien es Frauen in der Landwirtschaft oder Arbeiter:innen am unteren Ende globaler Wertschöpfungsketten.
Von Sina Rauch, die zusammen mit Detlef Stüber für die ASW die Rundreise organisierte und begleitete.
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