Klimakatastrophe im Amazonas Regenwald

Die Prognosen der Wissenschaft werden Realität
 

Längst ist das, was wir vor einiger Zeit noch als „worst case“ angesehen haben, im Amazonasgebiet Realität geworden, und die vorhergesehene Kettenreaktion hat bereits eingesetzt: Entwaldung führt zu Austrocknung, dann zu Waldbränden und diese setzen gigantische Mengen CO2 frei. Die Folge ist eine katastrophale Beschleunigung des Klimawandels rund um den Globus.

Seit Jahren warnen Wissenschaftler vor dieser Entwicklung. Es gibt bereits unzählige nationale und internationale Studien zu der Thematik. Besonders intensiv haben sich der brasilianische Klimaforscher Carlos Nobre vom Nationalen Institut für Weltraumforschung (Inpe) und der US-Biologe Thomas Lovejoy mit den Folgen für den Amazonas Regenwald beschäftigt.

Das Amazonasgebiet ist in den letzten Jahrzehnten durch verschiedene anthropogene Ursachen einem wachsenden Umweltdruck ausgesetzt. Dazu gehören direkte Belastungen wie Entwaldung und Waldbrände als auch die Belastung durch die globale Erwärmung. Die ökologische Stabilität der Amazonas-Regenwälder ist durch diese zunehmenden Störungen bedroht.

Savannisierung des Amazonas-Regenwaldes

Eine der Studien weist auf direkte Konsequenzen im Amazonasgebiet hin: Abnahme der biologischen Vielfalt aufgrund von Veränderungen im Fortpflanzungszyklus von Pflanzen und Tieren. Als weiterer wichtiger Effekt deutet sich der Prozess der Savannisierung des Amazonas-Regenwaldes aufgrund des Temperaturanstiegs bereits an: Im 20. Jahrhundert ist die mittlere Temperatur im Wald um ein bis 1,5 Grad angestiegen, und seit 1970 hat sich die Trockenzeit in Teilgebieten von vier auf fünf Monate verlängert. Schwere Dürren wiederholten sich in den Jahren 2005, 2010 und 2016 und lassen mit den Überschwemmungen von 2009, 2012 und teilweise 2014 darauf schließen, dass das gesamte System in Unordnung ist.

Ohne zyklische Überschwemmungen keine Vermehrung der Fische  

Der Klimawandel hat auch zu Veränderungen der im Amazonas-Regenwald wiederkehrenden Naturphänomene geführt, zu denen die für Flora und Fauna wichtigen zyklischen Flussüberschwemmungen in der Regenzeit gehören. Aufgrund von Änderungen des Niederschlagsvolumens und steigender Temperaturen treten extreme Ereignisse wie Dürren und Starkregen auf. Diese klimatischen Phänomene wirken sich negativ auf die Fischbestände  und die landwirtschaftliche Produktivität aus und bedrohen so direkt die Ernährungssicherheit der in dieser Region lebenden Bevölkerung.

Niedrigwasser am Xingu

So erleben es ASW-Partner*innen aktuell am Fluss Xingu, wo der niedrige Wasserstand der Volta Grande (große Flussschleife des Xingu) seit zwei Jahren das Laichen der Fische verhindert und in kürzester Zeit die Fischbestände dezimiert hat.

 

Die Folge sind massive Einkommensverluste derer, die vom Fischfang leben. Zudem können sie den Fluss an vielen Stellen nicht mehr mit ihren kleinen Booten befahren und sind immer öfter gezwungen, ihre Ladung und Boote über trockenen Fels zu tragen.

Amazonaswald künftig eine Quelle von Treibhausgasen?

Als Teil einer Umfrage im Norden Brasiliens wurde in 62 Gemeinden im Amazonasgebiet die Anfälligkeit für den Klimawandel ermittelt. Die von der Oswaldo Cruz Foundation (Fiocruz) koordinierte Studie fand im Rahmen des Projekts „Vulnerability to Climate Change“ statt, das in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium durchgeführt wird. Demnach kann es in den nordöstlichen Regionen in den nächsten 25 Jahren zu einem Temperaturanstieg von 5 ° C und einer Verringerung des Niederschlagsvolumens um bis zu 25% kommen. Der Amazonas-Wald verliert bereits seit 30 Jahren sukzessive die Fähigkeit, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und in der Biomasse zu speichern. Schon Mitte der 2030er Jahre könne er sogar zu einer Quelle von Treibhausgasen werden, erwarten die Experten um Geographieprofessor Simon Lewis von der Universität Leeds in Großbritannien.

Bolsonaro beschleunigt das Desaster

Und sicherlich macht die brasilianische Politik die Lage nicht besser, denn Brasiliens Präsident Bolsonaro leugnet den menschgemachten Klimawandel und gilt als Gegner einer ambitionierten Klimapolitik. Zwar hat die Regierung inzwischen die Gründung eines "Amazonas-Rats" vollbracht, der den Schutz des Gebiets koordinieren soll, aber die Befürchtungen von Expert*innen, es handele sich dabei nur um ein Feigenblatt, haben sich bereits bestätigt. Eine Gesetzesvorlage zur 100prozentigen Überwachung der Umweltorganisationen hat die Zivilgesellschaft bereits dazu bewogen, einen Hilferuf an die internationale Gemeinschaft zu senden.

Silke Tribukait

Eine Studie des Fachmagazines „Nature“ bestätigt den dramatischen Trend, dass nämlich ein Teil des Amazonasbeckens bereits mehr CO2 abgibt als er aufnimmt: (taz-Artikel vom 15. Juli 2021)