Trotz eines gesetzlichen Verbotes gibt es in Indien noch immer 1,3 Mio kastenlose Menschen, die in Handarbeit menschliche Exkremente beseitigen. Sie erledigen diese unwürdige und gesundheitsschädliche Tätigkeit für Angehörige höherer Kasten oder stehen sogar offiziell im Dienst von Gemeinden. Der indische Staat ignoriert dieses gesetzeswidrige Verhalten seiner lokalen Körperschaften und tut auch sonst wenig, um eine Umsetzung des Verbots der manuellen Latrinenreinigung von 1993 zu erzwingen.
Aber die Betroffenen haben angefangen, sich zu organisieren und sich zu wehren. Das Netzwerk ‘Safai Karmachari Andolan’ hat zu einer Aktion aufgerufen, in der Andhra Pradesh zum ersten von manueller Latrinenreinigung freien Bundesstaat in Indien erklärt werden soll. In Tamil Nadu stärkt die ASW-unterstützte Organisation ISM Latrinenreiniger im Gemeindedienst. Perspektivisch fordern alle Latrinenreiniger-Verbände die Abschaffung der Praxis manueller Latrinenreinigung.
Das indische Nachrichtenportal InfoChange hat ein Feature der indischen Journalistin und Buchautorin Mari Marcel Thekaekara veröffentlicht. Diese hat zehn Jahre lang der Praxis des Maila Dhona - so nennen Betroffene in Nordindien die manuelle Latrinenreinigung - nachgespürt und hat dabei nicht nur ein Bild von ihrer Verbreitung (überall außer in Kerala, Goa und den nordöstlichen Staaten hat die archaische Praxis überlebt, sogar in den großen Städten) gewonnen, sondern auch tiefe Einblicke in individuelle Schicksale.
„Als wir den Platz erreichten, war ich geschockt. Ich hatte niemals solch eine Toilette gesehen“, berichtet Ranuka in einem Interview. „Meine Schwiegermutter sagte: ‚Das ist unsere Bestimmung, unser Leben. Nimm den Besen und beginne’. Mir war schlecht. Ich übergab mich endlos, würgte ununterbrochen, bis nichts mehr kam. Über Monate fing ich immer wieder zu brechen an. Ich konnte danach kein Essen ertragen. Auch heute noch kann ich kein Dal (Linsenbrei) essen, der bloße Anblick erzeugt mir Übelkeit. Aber seit 25 Jahren muss ich jetzt diese Arbeit machen. Wenn ich meine Kinder ernähren will, bleibt mir nichts anderes übrig“.
Weitere Fallbeispiele und Hintergrundinfos finden Sie in dem Text von Mari Marcel Thekaekara auf InfoChange
ASW 01.07.2008