Gewalt, Staatsverfall und Covid19 im Sahel: Antworten* auf eine kritische Lage

28.07.2020 · 17:47 Uhr

Die Covid-Pandemie hat weltweite Auswirkungen, und auch die Länder der Sahelzone, denen der Terrorismus schon genug zusetzt, werden in eine Rezession stürzen.

Dabei bräuchten die Länder gerade jetzt Arbeitsplätze und starke Regierungen, um die Herausforderungen für ihre Sicherheit zu meistern. Seit Beginn der Pandemie hat sich der gewalttätige Extremismus in der Sahel-Region ausgeweitet. Mali, Burkina Faso und der Tschad sind seit Anfang Februar noch häufiger als zuletzt zum Ziel von Terroranschlägen geworden.

 

Migration Sahel

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Trotz der Zusammenarbeit von UN-Sicherheitsrat, Afrikanischer Union, der G5-Sahelzone und der Alliance du Sahel (Allianz im Sahel) im Kampf gegen den Terrorismus sowie der Präsenz französischer Streitkräfte, hat sich die Gewalt mit rasanter Geschwindigkeit nach Norden und in Richtung der Länder der westafrikanischen Küste ausgebreitet. Die Sicherheitskrise hat eine regionale Dimension erreicht, die weit über die Sahelzone hinausgeht.

Mohamadou Abdoulaye, stellvertretender Exekutivsekretär des Conseil de l'Entente (eine Organisation von fünf westafrikanischen Ländern zur Konfliktprävention) sieht als eine der Hauptursachen für die Unsicherheit in der Sahelzone Probleme der Regierungsführung, die auf die Struktur der postkolonialen Staaten zurückzuführen sind. Diese sind stark zentralisiert und an der Peripherie des Staatsgebietes quasi abwesend.  So können sie nicht verhindern, dass ihre auch ökonomisch vernachlässigten peripheren Regionen als Einfallstore für terroristische Gruppen fungieren.

Mali als Epizentrum der Unsicherheit

Die Herausforderungen, vor denen diese Staaten stehen, liegen daher laut Mohamadou Abdoulaye auch in einer Kluft und einem Vertrauensdefizit zwischen Regierungen und Bevölkerungen.

Wie Pierre Buyoya, Hoher Repräsentant der Afrikanischen Union für Mali und die Sahelzone sowie ehemaliger Präsident Burundis, erklärte, gilt Mali seit der politischen Krise im Jahr 2012, die zur Ausbreitung terroristischer Gruppen führte, als Epizentrum für die Ausbreitung der Unsicherheit in der Sahelzone.

Die aktuelle politische Krise in Mali, ausgelöst durch die umstrittenen  Parlamentswahlen im Juni, schafft zudem ein politisches Vakuum, das gerade aufgrund der wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Probleme äußerst gefährlich ist. Diese Destabilisierung könnte auch auf die Nachbarländer Burkina Faso und Niger übergreifen und die dortige bereits besorgniserregende humanitäre Lage verschlechtern.

Eine Lösung mit militärischen Mitteln?

Eine der zentralen Fragen ist daher, wie die Bevölkerung gegen den Terrorismus mobilisiert werden kann. Pierre Buyoya legt den Schwerpunkt auf die militärische Antwort  - getragen von den Mitgliedern der G5-Sahel. Diese Strategie, eine politische Krise mit Gewalt anzugehen, stellten jedoch viele der anwesenden Diskutant*innen, unter ihnen auch wir von der ASW, in Frage.  Denn gerade das Beispiel Mali zeigt, dass sich die Situation nach zehn Jahren militärischer Intervention immer weiter verschlechtert. Darüber hinaus führt der Kampf gegen den Terrorismus dazu, dass sich intervenierende westliche Mächte - wie Frankreich in Mali -  oder lokale Regierungen mit bewaffneten Milizen und freiwillige Streitkräften zusammenschließen. Diese sind schlecht ausgebildet und respektieren oft weder geltende Gesetze noch die Menschenrechte. Dieses Szenario ist bereits Realität in Burkina Faso und führt zur Ermordung von Zivilisten und verstärkt ethnische Spannungen. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass die Bevölkerung in die Hände von Terroristen getrieben wird.

Die Bemühungen sollten somit darauf abzielen, militärische Interventionen entweder zu beenden oder zumindest mit einer besseren Staatsführung zu verbinden, die lokale Akteure und Gemeinschaften einbezieht und sich an gefährdete Bevölkerungsgruppen wendet. Auf letzterem sollte der Fokus liegen.

Dr. Mohamed Ibn Chambas, Sonderbeauftragter des UNO-Generalsekretärs und Leiter des UNO-Büros für Westafrika und die Sahelzone, argumentiert, dass die strategischen Bemühungen der UNO und regionaler Organisationen darauf abzielen, "eine integrierte Strategie zu entwerfen, die sich auf den Ausbau der Präsenz des Staates und der sozialen Infrastruktur sowie Dienstleistungen in peripheren Regionen konzentriert.“

Dies ist dringend notwendig, vor allem weil in diesem Jahr in Burkina Faso, Guinea und der Elfenbeinküste wichtige Wahlen stattfinden sollen. Diese Wahlen müssen in Frieden und Transparenz durchgeführt werden, um eine weitere Aushöhlung der Legitimität und des Vertrauens in die staatliche Politik zu verhindern.

Elsa Cuissard

*Der Text gibt die Debatte einer Online-Podiumsdiskussion zum Sahel wieder, die das Institute for Security Studies am 16. Juli 2020 ausgerichtet hat.