Indien: Arbeitsmigration unter erschwerten Bedingungen

13.09.2018 · 13:02 Uhr

In den vergangenen Jahren hat die Arbeitsmigration zwischen Indiens Bundesstaaten dramatisch zugenommen. Dem Economic Survey 2016-17 zufolge migrierten im Zeitraum 2010 bis 2017 jährlich rund neun Millionen Menschen. In den Jahren 2001 – 2011 waren es dem Census von 2011 zufolge nur halb soviele. Die Zivilgesellschaft in Indien geht von einer noch viel größeren – allerdings schwer erfassbaren - Migration innerhalb des Subkontinents aus.

Ein Expertentreffen in Delhi Mitte August stellte diese Entwicklung in den Kontext der neoliberalen Wirtschaftspolitik Indiens seit den 90er Jahren. Prekäre Existenzbedingungen vor allem für die ländliche Bevölkerung und der Verlust von Ackerland haben seither immer mehr zugenommen. „Unser Entwicklungsmodell zentriert sich auf die Megastädte, vernachlässigt die Dörfer und ignoriert soziale Ungleichheit sowie die sich weitende Kluft zwischen Arm und Reich“, konstatierte ein Diskussionsteilnehmer.

Mittlerweile besitzen 10 Prozent der Inder 80 Prozent des nationalen Reichtums, während die Hälfte der 1,3 Milliarden Menschen mit 4 Prozent des nationalen Reichtums auskommen müssen.

Dabei beschäftigen alle Sektoren der Wirtschaft Arbeitsmigranten aus anderen Bundesstaaten, und das meist in informellen Arbeitsverhältnissen ohne rechtliche Absicherung. Zudem werden den Arbeitsmigranten auch vom Staat grundlegende Rechte wie Zugang zu Sozialprogrammen und Bürgerrechte vorenthalten. Und vielfach werden sie auch von den Menschen in ihrem neuen Bundesstaat wie Fremde und Zweite-Klasse-Bürger behandelt.

Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Menschenrechtler fordern daher von der Politik neue Konzepte, um die Arbeitsmigranten in den Entwicklungsprozess im Land einzubeziehen.

Fast wie gerufen, um bestimmten Arbeitsmigranten das Leben noch schwerer zu machen, kommt da ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtes vom 30. August in Delhi. Es bekräftigt, dass Dalits und Adivasi, die ihren Bundesstaat verlassen haben, kein Recht mehr auf spezifische staatliche Förderungen haben. In Indien gibt es ein System, das den stark benachteiligten Dalits und Adivasi über eine garantierte Quote an Ausbildungsplätzen und Stellen in öffentlichen Institutionen den Zugang zur indischen Gesellschaft erleichtern soll. Die Umsetzung dieses Quotensystem ist Sache der Bundesstaaten.

Tatsächlich dürfe der Anteil von Arbeitsmigranten aus den benachteiligten Bevölkerungsgruppen besonders hoch sein. Mit ihrem Urteil verschließen die Richter aus Delhi ihre Augen vor der prekären Lebenssituation der meisten Dalits und Adivasi.