Indien: Bäuer*innen erzürnt über Liberalisierung des Agrarmarktes

14.12.2020 · 15:11 Uhr

Seit Monaten protestieren Bäuer*innen gegen eine Liberalisierungen des Agrarmarktes, von der sie eine weitere Verschlechterung ihrer Situation befürchten. Laut National Sample Survey Office nimmt ein bäuerlicher Haushalt weniger als 75 Euro monatlich ein. Im Dezember eskalierte die Situation und es gab sogar Tote. Inzwischen sucht die Regierung das Gespräch mit den Bauernorganisationen

 

Kleinbäuerinnen Indien

Kleinbäuerinnen in Andhra Pradesh. Foto: Ralf Flucke

Die Corona Krise hat die Umstände der Bäuer*innen zusätzlich verschlechtert: der strenge Lockdown Indiens hatte zu Unterbrechungen bei Aussaat, Ernte, Vermarktung und mangelnden Arbeitseinsätzen geführt. Viele für Arbeit migrierte Familienmitglieder flohen zurück nach Hause aufs Land und mussten zusätzlich versorgt werden. 
Das von beiden Kammern des Parlamentes verabschiedete Gesetz zur Liberalisierung des Agrarbereiches bedroht die indischen Bäuer*innen nun zusätzlich.

Ziel der Reform ist eine Lockerung aller bisherigen Vorschriften rund um Lagerhaltung, Preisgestaltung und Verkauf. Bisher konnten die Bauern ihre Erzeugnisse zu staatlich festgelegten Preisen an staatlichen Aufkaufstellen abgeben. Zumindest der Absatz und die Aufkaufpreise waren gesichert.
ie Regierung preist die Gesetze nun als eine Verbesserung für die Bauern an. Fortan müssen sie ihre Produkte zu Preisen am freien Markt der weltweit agierenden Nahrungsmitteleinkäufer anbieten. Infolge des Wettbewerbs, so die Regierung, könnten die Bauern bessere Preise bekommen. Somit seien die Gesetze zum Wohl der Bauern gemacht.
 

Bäuer*innen erwarten eine Verschlechterung

Doch viele Bäuer*innen reagieren wütend, denn sie befürchten enorme Verschlechterungen. Und in der Tat: Die meisten indischen Kleinbauern würden nicht von einer Marktliberalisierung profitieren. Oft sind sie durch eine hohe Verschuldung so unter Druck, dass sie ihre Ernte zeitnah und dann zu jedem Marktpreis verkaufen müssen. Die zu erwartenden Preisschwankungen wären für sie fatal. Eine Liberalisierung würde sie zudem einer monopolistischen Ausbeutung durch einen oder wenige Käufer aussetzen. Kleinbäuer*innen müssten beginnen, Vertriebswege und Verkaufsstrategien zu entwickeln. Viele Bauernverbände befürchten, dass Konzerne fortan große Teile der Ernten im größeren Stil und ohne einen  Mindestpreis aufkaufen werden. Zahlreiche Bauern und Bauernorganisationen sind in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen, um gegen die Reform zu protestieren. „Nehmt das Antibauerngesetz zurück“ steht auf den Protestschildern der Bauernorganisationen.

 

Hohe Selbstmordrate unter indischen Bäuer*innen

Wie prekär die Lage der Bauern und Bäuerinnen jetzt schon ist, zeigt ihre seit Jahren hohe Selbstmordrate. Dabei wird mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet, denn Selbstmord gilt in Indien als Straftat und führt zu Stigmatisierungen der betroffenen Familien. Alleine im Jahr 2019 sollen sich 10.281 Bauern und Landarbeiter das Leben genommen haben. Der Grund: Armut und hohe Verschuldung. Mit den neuen Reglungen zu Gunsten von machtvollen Konzernen befürchten viele Menschen eine weitere Verschlechterung der Lage indischer Bäuer*innen.