Indien: Die Arbeitsmigration der unteren Kasten

03.02.2020 · 15:45 Uhr

Wenn Menschen aus Dalit- und Adivasigemeinschaften sich auf Arbeitsmigration begeben, profitieren sie weniger als gesellschaftlich bessergestellte Gruppen Indiens. Das zeigt ein aktueller Bericht der Plattform für datengestützten Journalismus IndiaSpend.

Der Bericht bezieht sich dabei auf die aktuellsten Volkszählungsdaten und Erhebungen von India Migration Now, einer in Mumbai ansässigen gemeinnützigen Organisation.

Normalerweise kommt Binnenmigration zwecks Arbeit sowohl der Region zugute, in die die Menschen einwandern, als auch, dank Rücküberweisungen, den Herkunftsorten (und Gemeinschaften) der Migranten. Bei den 93 Millionen Binnenmigrant*innen aus den benachteiligten Kasten, die 2011 aus Armut oder Chancenlosigkeit ihre Heimatorte verließen, war dieser positive Effekt nicht oder kaum zu beobachten.

IndiaSpend nennt als Grund das Fortbestehen der sozialen Diskriminierung dieser Gruppen auch an ihren Arbeitsorten. Unter dem Strich haben die, die schon immer gesellschaftlich benachteiligt waren – auch in punkto Bildung - die geringsten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie ergattern meist nur die schlecht bezahlten und unsicheren Hilfsjobs. Menschen aus höheren Kasten stehen dagegen qualifiziertere Jobs offen.
 

Ein Faktor, der die soziale Lage der migrierten Dalits und Adivasi noch verschlechtern kann, ist das Wegfallen staatlicher Sozialleistungen bei Wegzug in eine andere Stadt. Auch Ansprüche auf garantierte Arbeitsplätze in der Landesregierung und Ausbildungsplätze, gedacht als Korrektiv gegen die historische Diskriminierung dieser Gruppen, gehen bei Umzug in einen anderen Bundesstaat verloren. Der Oberste Gerichtshof hat diese Praxis 2018 für rechtens erklärt.

 

Eine weitere Studie, die die IndiaSpend-Autor*innen zitieren, zeigt die typischen Arbeitsfelder für migrierte Frauen aus Dalit- und Adivasigemeinschaften auf. Die meisten Adivasi-Migrantinnen konzentrierten sich auf den Bausektor und Frauen aus den unteren Kasten sind vor allem in Bereichen wie der Ziegelherstellung tätig. Migrantinnen der Other Backward Castes, (anderer rückständigen Kasten, in der Hierarchie aber oberhalb der Dalits) eher als bezahlte Hausangestellte und landwirtschaftliche Saisonarbeiterinnen. Nur Migrantinnen aus den oberen Kasten arbeiten mehrheitlich als Angestellte.

 

Am Ende ihres Beitrages präsentieren die IndiaSpend-Autor*innen noch ein besonders interessantes Detail: Selbst wenn Menschen aus den unteren Kasten international migrieren, werden sie diskriminiert. Laut einer 2016 von Equality Labs, einer in den USA ansässigen Forschungsorganisation, durchgeführten Umfrage hatte bis zu einem Viertel (26%) von 1.500 in den USA befragten Dalits aus Südasien wegen ihrer Kastenzugehörigkeit körperliche Gewalt erlebt, während 20 Prozent über Diskriminierung am Arbeitsplatz berichteten.

Quelle: IndiaSpend “How Caste Impacts Migration And Its Benefits”, January 16, 2020