Nach einem sechswöchigen Wahlmarathon ist nun klar, dass Indiens bisheriger Premier Narendra Modi auch der neue ist. Seine hindunationalistisch ausgerichteten Partei BJP wird künftig sogar über mehr Parlamentssitze verfügen als nach ihrem Erdrutschsieg 2014. Ein so eindeutig gutes Abschneiden Modis und der BJP war nicht erwartet worden. Allerdings versprachen auch nur regionale Oppositionsparteien wirklich attraktive Alternativen. Insbesondere in südlichen Bundesstaaten, die sich schon lange gegen die Dominanz der bevölkerungsreichen hindusprachigen Bundesstaaten im Norden wehren, waren Regionalparteien erfolgreich und konnten ein Erstarken der BJP abwehren.
Aber landesweit hat sich doch eine deutliche Mehrheit der Wähler*innen für ein Indien mit einem charismatischen und national orientierten Führer ausgesprochen - trotz aller nicht eingehaltener Versprechen Modis in den vergangenen 5 Regierungsjahren. Auch heute ist weiter völlig offen, wie seine Regierung Millionen von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für die wachsende Zahl junger Menschen schaffen will. Und ebenso, wie siedie Inflation verringern, wie sie Wohlstand für alle schaffen und wie die Existenzen von Millionen durch Klimawandel und Industrieprojekte bedrohter Kleinbäuer*innen sichern kann.
Die klare Mehrheit der Wähler*innen - von den ca. 900 Mio. Wahlberechtigten hatten sich 67 Prozent beteiligt - befürwortet Modis hindunationalistische, ausgrenzende Politik und nimmt dafür eine Wirtschaftspolitik in Kauf, von der nur Teile der indischen Gesellschaft profitieren. Auch Frauen, deren Wahlbeteiligung ebenso hoch war wie die der Männer, haben somit für den konservativen Kurs des charismatischen Patriarchen Modi gestimmt.
Ein traditionelles Frauen-, Kasten- und Geschichtsbild gepaart mit sprachlichen Angriffen gegen alles, was sich nicht in die große Hindu-Nation einfügt, hat die zurückliegenden fünf Regierungsjahre Modis geprägt. So entstand ein Klima für reale Angriffe gegen Minderheiten. Der Wahlerfolg lässt befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzt.
Durch Indiens strategische und weltwirtschaftliche Bedeutung ist kaum zu erwarten, dass die Regierung Modi von internationaler Seite, z.B. von der deutschen Regierung, für ihr Vorgehen kritisiert wird. Dabei ist Beistand für die Millionen zählenden Nicht-Hindus nun umso dringender nötig. Das gleiche gilt für die liberal eingestellte Zivilgesellschaft und ihre Medien.