Die mehrheitlich jungen Kolleg*innen in der Auswahlgruppe für die neue Stelle im Indien-Referat wollten ihn 1979 eigentlich nicht im Team haben. Mit um die fünfzig erschien der Bewerber aus dem Schwabenland mit dem strengen Haarschnitt den meisten zu alt. Aber die schriftliche Bewerbung Martin Gugelers war so interessant, dass es sich verbot, ihn nicht zum Bewerbungsgespräch einzuladen.
In diesem legte Martin so richtig los. Die Veröffentlichungen zur neuen ASW-Projektpolitik in Indien hatte er in der „Solidarischen Welt“ im Detail studiert, und er war es, der im Bewerbungsgespräch die meisten Fragen stellte. Die ASW-Mitarbeiter*innen mussten einräumen, dass die Konzeption noch erstaunliche Lücken aufwies. Martin legte seinen Finger unerbittlich und auch unerschrocken auf die Wunden. Das war nicht böse gemeint, er war so.
Martin wurde der neue Kollege im Indien-Referat, und in den folgenden Jahren wurde Zukunft entworfen. Ruth Neuwirth war es vergönnt, den neuen indischen Berater M.V.Sastri als Nachfolger von V. Krishnamurti auszuwählen, ich, Bernd Scheel, durfte in langen Diskussionen mit Sastri herausfinden, dass man wirklich gut zusammenpasste.
Um den Job, der dabei Martin Gugeler zuteilwurde, beneidete ihn keiner. In einer Serie von Regionalseminaren in Indien musste er den Leiter*innen der Kinderheime 1) von Angesicht zu Angesicht erklären, dass sie zukünftig keine Unterstützung mehr erwarten könnten. Das machte Martin gewiss nicht beliebt, brachte ihm aber auch den Ruf ein, dass er felsenfest zu dem stand, was er sagte.
Anfang der 1990 Jahre, als das Geld bei der ASW knapp wurde, unterstützte er den Verein sogar noch durch seinen Weggang. Er ging in den vorzeitigen Ruhestand – altersgemäß, so sagte er, war er ja der „teuerste Mitarbeiter“.
Martin Gugeler ging nach München und konnte dort endlich seinen Ruhestand in später Zweisamkeit genießen – wie gewohnt bescheiden, aber gleichzeitig großzügig und warmherzig gegenüber seinen Freunden – bis ihn die schwere Krankheit der Welt entfremdete. Geboren am 1.11.1930, starb Martin Gugeler am 7. Januar 2020.
Bernd Scheel, Ex-Indienreferent der ASW
1) Die ASW fasste 1975 den Beschluss, Kinderpatenschaften und die Heimerziehung von Kindern einzustellen, um sich noch stärker auf die Förderung ganzer Gemeinschaften zu fokussieren. Die Förderungen der Kinderheime liefen in den Folgejahren aus.