Vor einem halben Jahr sah alles nach einem Sieg des internationalen Rechtes und der Rechte der Menschen der Westsahara aus: Europäische Fischtrawler mussten von der nordafrikanischen Atlantikküste in Richtung Norden abziehen. Denn ein bestehendes Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko war zum 14.07.2018 ausgelaufen und eine Neuaushandlung des Vertrages bis zum Stichtag war gescheitert. Außerdem hatten einige EU-Mitgliedsstaaten der Kommission signalisiert, sie solle sich an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg von 2018 halten, demzufolge die Gewässer der besetzten Westsahara nicht in Abkommen mit Marokko einbezogen werden dürften.
Mittlerweile liegt ein neuer Vertragstext vor, der Kritikern zufolge genau das tut: Er ermöglicht den Europäern die Fischerei in den Küstengewässern vor der besetzten Westsahara und ist damit völkerrechtswidrig. Denn es darf bezweifelt werden, dass Marokko die Einnahmen aus dem Verkauf der Fischereirechte den Sahrauis zugutekommen lässt. Gestern fand dieser Vertrag dennoch die Zustimmung des EU-Parlamentes. 415 Abgeordnete stimmten am Dienstag in Straßburg für den Pakt, 189 dagegen. Das Urteil der Richter in Luxemburg scheint sie wie auch die Kommission nichts anzugehen.
Ein seit Monaten anhängiger Streit um ein Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko war vor drei Wochen ähnlich ausgegangen. Auch hier hatte das EU-Parlament einem Vorschlag der EU-Kommission zur Erneuerung des Abkommens zugestimmt. Auch dieser Vertrag schließt Gebiete der von Marokko besetzten Westsahara ein und ist damit völkerrechtswidrig.
Die politische Vertretung der Sahrauis, die POLISARIO ist entschlossen, wieder vor Gericht zu ziehen. Diesmal will sie die EU auf Entschädigung verklagen. Die Sahraouis wollen - aus unserer Sicht zurecht - einen Teil ihres Reichtums, den die EU ihnen seit 1976 über Handels- und Fischereiabkommen mit Marokko entzogen hat, zurückerhalten.