Burkina Faso auf der Berlinale

Zwei Filmbesprechungen


Die diesjährige Berlinale stand politisch offiziell unter dem Motto „Solidarität mit der Ukraine und den Menschen im Iran“. Doch legt die Berlinale immer auch den Fokus auf Weltregionen und Krisen, die nicht im Mainstream der Öffentlichkeit stehen. Unser Kollege Tobias Zollenkopf hat sich zwei Filme aus unserem Partnerland Burkina Faso angeguckt. Den Dokumentarfilm „Or de vie“ von Boubacar Sangaré und „Sira“ von Apolline Traoré, der sogar den diesjährigen Panorama-Publikumspreis gewonnen hat. Hier seine Eindrücke:

 

Or de vie - Das  goldene Leben - führt uns in die handwerkliche Goldmine von Bantara im Süden Burkina Fasos, wenige Kilometer von der Grenze zur Elfenbeinküste. Rasmané, ist 16 Jahre alt. Wie viele andere Jugendliche hofft er, das große Glück zu finden – ein wenig Gold, um sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Wir steigen mit ihm hinab in die tiefen Schächte der Mine, wo unter schwierigsten Bedingungen per Hacke abgebaut wird. Wasser abpumpen, Geröll nach oben schicken – ein gefährlicher Job, der manchem auch das Leben kostet. Der Film ist ganz dicht an seinen Protagonisten, verrät uns viel über ihre Wünsche, ihre Frustrationen, wenn nach Wochen immer noch kein Gold gefunden wird. Als Rasmané dann doch fündig wird, bringt er seinen Aushub in die Yaar, die Stadt bei den Minen. Dort trifft er auf Missa und Drame, 12 und 13 Jahre alt, die ihr Glück mit einem Transportkarren machen wollen. Am Ende erleben wir, wie aus dem Erz das Gold gewonnen und endlich zu etwas Geld gemacht wird.

Boubacar Sangaré, der als 13-jähriger selber in einer Goldmine gearbeitet hat, gelingt eine sehr einfühlsame Dokumentation der jugendlichen und kindlichen Arbeit in einer der unzähligen handwerklichen Goldminen des bitterarmen Sahelstaates. Der Goldabbau war immer schon ein Zusatzverdienst der kleinbäuerlichen Familien,  um schlechte Zeiten zu überbrücken. Durch die vielfältigen Krisen des Landes hat das heute gewaltige Dimensionen angenommen. Der prekäre Goldabbau ist für viele zur einzigen Verdienstmöglichkeit geworden. Dem gegenüber steht die Vergabe von Goldgebieten an internationale Konzerne, die den Großteil des Reichtums Burkina Fasos außer Landes schaffen, ohne dass die Bevölkerung davon profitieren würde. Hierzu arbeitet auch unser Projektpartner ODJ, die Organisation der demokratischen Jugend in Burkina Faso. Mehr zu ODJ.

 

Der Spielfilm „Sira“ von Apolline Traoré greift das aktuell größte Problem Burkina Fasos auf, die islamistischen Terrorgruppen im Norden des Landes. Sira ist eine junge Frau aus der Volksgruppe der Fulani-Nomaden, traditionellen Viehhirten. Mit ihrer Großfamilie ist sie auf dem Weg zu ihrem zukünftigen Ehemann, dem Christen Jean-Sidi – keine selbstverständliche Heirat, denn Siras Familie ist muslimisch. Während einer Rast wird die Gruppe von Terroristen überfallen, die Männer erschossen und Sira entführt. Sie wird mitten in der Wüste ausgesetzt und vergewaltigt. Alle Kraft zusammennehmend schlägt sie sich durch die unwirkliche Landschaft und entdeckt das Terroristenlager. In einer Höhle in der Nähe des Lagers findet sie Unterschlupf. Sie überlebt, indem sie nachts Essen und Wasser aus dem Lager stiehlt. Als eine Gruppe Sexsklavinnen in das Lager gebracht wird, verbündet sie sich mit diesen und kann sich durch die vorgeschriebene Burka unbemerkt im Lager bewegen. Gemeinsam mit den entführten Frauen aus vielen Ländern werden Pläne für eine Flucht entworfen. Inzwischen ist klar, dass Sira von der Vergewaltigung schwanger ist, was ihr Überleben weiter erschwert. Sira beisst sich durch alle Probleme und am Ende können sie und die anderen Frauen mithilfe eines vom Militär eingeschleusten Spitzels und des entschlossenen Einsatzes von Sira befreit und die Terroristen eliminiert werden.

Der in der unwirklichen Wüstenlandschaft wunderschön aufgenommene Film streift viele der aktuellen Probleme des Landes. Zum Beispiel den Konflikt zwischen den Viehhirten und den sesshaften Bauern, der sich durch Klimawandel und stark wachsende Bevölkerung immer weiter zuspitzt. Deutlich wird auch, dass der Gewalt der Terrorgruppen kein Plan hinterlegt ist, keine Vorstellung, für was dort eigentlich gekämpft wird. Eine starke Szene ist der Moment, wo Siras Mutter an der Versammlung der Dorfältesten im Dorf von Jean-Sidi teilnimmt, was ihr als Frau nicht gestattet ist. Sie weist darauf hin, dass es schon immer Konflikte gab, diese aber durch das gemeinsame Reden aller miteinander gelöst werden konnten. Die aktuelle Dynamik ist jedoch nur noch auf Gewalt und Gegengewalt, auf  Ausgrenzung und Verleumdung ausgerichtet.

Der Schatz dieses Filmes bleibt aber die starke Figur der Sira, ihr unbändiger Wille zum Überleben in schwierigen Situationen und die Solidarität der Frauen im Terrorlager. Sira steht, so Apolline Traoré im anschließenden Filmgespräch, für die vielen Frauen in Burkina Faso, die fast unsichtbar bleiben, aber den Großteil der alltäglichen Probleme lösen müssen. Das ist dann auch das Hoffnungszeichen, dass der Film uns für eine bessere Zukunft mit nach Hause gibt.

Für eine bessere Zukunft in Burkina Faso haben wir auch eine Petition an Außenministerin Frau Baerbock mithilfe unserer Partner:innen in Burkina Faso aufgesetzt. Wir bitten, diese Petition zu unterzeichnen und zu teilen. Hier gehts zur Petition. Vielen Dank