Gesetze zum Schutz von Dalits und was sie bewirken

Manuelle Toilettenreinigung oder die immer noch praktizierte ausgrenzende Sitzordnung für Dalitkinder im Klassenraum dürfte es eigentlich längst nicht mehr geben. Denn schon 1950 hat Indien die „Unberührbarkeit“ und damit die Diskriminierung aufgrund der Kaste per Verfassung abgeschafft (Artikel 17).

Das Verbot der manuellen Toilettenreinigung

Seither wurden viele Gesetze erlassen, die das Diskriminierungsverbot konkretisieren und bestimmte Praktiken der Ausgrenzung unter Strafe stellen. Dazu zählt z.B. das Verbot der manuellen Toilettenreinigung durch den “Prohibition of Employment as Manual Scavengers and their Rehabilitation Act” von 2013.

Gesetz gegen Greueltaten von Höherkastigen an Kastenlosen

Oder ein Gesetz aus dem Jahr 1989, der „Scheduled Castes and Scheduled Tribes Prevention of Atrocities Act“, der versucht, Kastenlose und Adivasi vor spezifischen Angriffen zu schützen. Dazu gehört das Werfen von Exkrementen, Müll, oder Kadavern in Häuser oder Gärten von Dalits, dazu gehört, einen Dalit zwingen, ungenießbare oder widerliche Substanzen zu essen oder zu trinken, dazu gehört, ihm die Kleider vom Leib zu reißen oder ihn nackt oder mit angemaltem Gesicht oder Körper vorzuführen und vieles mehr.

Greueltaten sind Alltag

Allein die Tatsache, dass das Gesetz all diese Handlungen auflistet, zeigt, dass sie traditionell zum Diskriminierungsrepertoire höherkastiger Menschen gegen Kastenlose gehören. Und tägliche Meldungen in indischen Tageszeitungen über konkrete Vorfälle belegen, dass solche auf Entmenschlichung von Dalits abzielenden Handlungen auch im Indien des dritten Jahrtausends gang und gäbe sind. Auch die hauptsächlich gegen Muslime gerichteten Attacken von militanten „Kuhschützern“, die das Hinduerbe für ihre barbarischen Taten instrumentalisieren, treffen häufig Dalits. Zum Beispiel jene, deren Beruf die Beseitigung von Tierkadavern oder die Lederverarbeitung ist. 

Was bringt das Gesetz gegen Greueltaten?

 Alle Gesetze, die der indische Staat seit der Unabhängigkeit in Kraft gesetzt hat, konnten die miserable Lage der Kastenlosen in Indien somit nicht grundsätzlich verändern. Das liegt zum Teil daran, dass Verwaltung, Justiz und vor allem die Polizei die Umsetzung dieser Gesetze blockieren. 

Am Beispiel des  Scheduled Castes and Scheduled Tribes Prevention of Atrocities Act lässt sich das gut aufzeigen. So ist die Verurteilungsquote in Fällen von angezeigten Gräueltaten gegen Dalits auf Basis des Prevention of Atrocities Act kleiner als bei Straftaten nach indischen Strafgesetzbuch IPC. Dreiviertel aller Angeklagten werden freigesprochen. Außerdem werden viele Anzeigen betroffener Dalit-Opfer von Polizisten erst gar nicht entgegengenommen. Eine Verschärfung des Gesetzes 2016 sollte das ändern, sie blieb allerdings bis heute wirkungslos.


Dalit-Organisationen brauchen die Gesetze

Dennoch sind diese Gesetze eine gute Grundlage für die Arbeit der zahlreichen NGOs, die Dalits vertreten und empowern. So haben auch ASW-Partnerorganisationen über Aufklärung zu diesen Gesetzen, Unterstützung beim Gang zur Polizei und Rechtsbeistand bei Prozessen vielen Menschen zu ihrem Recht verholfen.

 

Ein Beispiel für Polizeigewalt und -ignoranz

Ein Streit zwischen einem Dalit und einem höherkastigen „Arbeitgeber“ war nach einem in Indien wohlbekannten Muster abgelaufen. Ein Besitzer einer Ziegelfabrik hielt sich nicht an Absprachen mit einem Dalit-Schuldner, wollte diesen zwingen, über die für die Rückzahlung der Schulden vereinbarte Zeit hinaus für ihn zu arbeiten. Als dieser sich weigerte, sich versklaven zu lassen, holte der Fabrikant unter irgendeinem Vorwand die Polizei. Die Beamten entsprachen sofort den Erwartungen des im Ort sehr einflussreichen Fabrikanten, stellten keine Fragen, verprügelten den Dalit, nahmen ihn mit und steckten ihn für 10 Tage in eine Zelle. Dort wäre er noch länger geblieben, wenn unsere Partnerorganisation sich nicht für seine Freisetzung eingesetzt hätte. Der Polizist, der das Opfer geprügelt und widerrechtlich festgesetzt hatte, wurde zu einer Kompensation von 40 000 Rupien – ca. 800 Euro verdonnert. Ob er inzwischen vom Dienst suspendiert wurde, wissen wir nicht.

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