Klimafonds oder Reparationen?

ASW-Partner:innen fordern Ausgleich der Klimagewalt gegen Afrika

Die Verantwortung Afrikas für den Klimawandel ist minimal, denn der Kontinent verursacht nur vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Aber Afrika leidet unter den Folgen, und dies in einer sehr gewaltsamen Weise.

Es gibt viele Studien, die zeigen, dass die Länder des Südens weitaus stärker unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden als seine Verursacher. Aus Afrika lassen sich mehrere Beispiele anführen. Die Wüstenbildung betrifft 46 von 57 afrikanischen Ländern, führt zu einem Rückgang der Bodenfruchtbarkeit und schafft Ernährungsunsicherheit. Sechs Länder (Guinea-Bissau, Sierra Leone, Südsudan, Nigeria, Demokratische Republik Kongo, Äthiopien) der zehn, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, liegen in Afrika. Viele Menschen sind aufgrund der durch Stürme und gestiegene Meerespegel fortschreitenden Küstenerosion gezwungen, ihr Land zu verlassen. Das Dorf Bargny und die Stadt Saint Louis im Senegal sind Beispiele für Orte, die vom Meer buchstäblich gefressen werden.

Die Legitimität der Wiedergutmachung

Es reicht nicht, das Problem der Klimagerechtigkeit nur zu betrachten. Nach der Feststellung der Schäden (Verlust von Menschenleben, durch Wirbelstürme zerstörte Häuser), der Identifizierung der  Verantwortlichen (die Industrieländer) und des Nachweises des Kausalzusammenhangs zwischen Taten und Schäden, wäre das normale Vorgehen die Wiedergutmachung  der Schäden durch die Täter. Die Opfer des Klimawandels haben Anspruch auf eine solche Wiedergutmachung.

Um sich dieser Verantwortung zu entziehen, berufen sich die Industrieländer auf das fehlende Wissen zur Zeit der Industrialisierung. Damals sei den Akteuren nicht bekannt gewesen, dass ihr Handeln negative Auswirkungen auf das Klima hat und die Lebensbedingungen vieler Menschen auf der anderen Seite des Globus beeinträchtigt.
Darüber hinaus argumentieren sie, dass dieser Fehler nicht den heutigen Generationen angelastet werden kann, da sie nicht verantwortlich für die Handlungen ihrer Vorgänger sein können. 
Dies ist eine rein subjektive Behauptung. Die Nicht-Schuld der Zeitgenossen schmälert in keiner Weise das Recht der Opfer auf Wiedergutmachung. Denn wenngleich die heutigen Generationen keine rückwirkende Kontrolle über ihre Vorgänger haben können, profitieren sie immer noch von deren Handlungen, die schädlich für den Planeten waren und sind.

In Afrika wird die Legitimität der Wiedergutmachung nicht in Frage gestellt. Sie wurde von dem Klima- und Entwicklungsnetzwerk Wangari Maathai und Benjamin Bibas auf der [1] Vertragsstaatenkonferenz 2015 in Paris in ihrem Plädoyer "Réparer L’injustice climatique en Afrique“ angesprochen. Bereits zuvor wurden in diesem Kontext Anstrengungen unternommen: So wurde beim Abkommen von Cancún 2011 ein grüner Klimafonds eingerichtet.

Das Hauptziel besteht darin, die sogenannte „Entwicklungsländer“ in ihrer Politik der Reduzierung von Treibhausgasen, der Anpassung und der Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu begleiten. Die Zusage der Industrieländer, diesen Fonds bis 2020 mit 100 Milliarden Euro zu stärken, ist weit davon entfernt, jemals umgesetzt zu werden.
 

Nicht nur eine finanzielle Angelegenheit

Die geforderte Wiedergutmachung ist nicht nur finanzieller Art. Weil bestimmte Schäden nicht repariert und z.B. bei Küstenerosion die  Klimavertriebenen nie wieder in ihr Dorf zurückkehren können, kann der finanzielle Aspektnur ein kleiner Teil sein.

Andere Formen der Ungerechtigkeit verstärken die negativen Auswirkungen des Klimawandels. Im Senegal machen die von der Regierung unterzeichneten Fischereiabkommen das Meer für große westliche und chinesische Schiffe zugänglich, die die Bestände überfischen. Einheimische Fischer kehren aufgrund der Knappheit an Fischen mit leeren Pirogen von ihren Fangreisen nach Hause zurück. Das Ergebnis ist der allmähliche Verlust ihres Broterwerbs.

Dies zeigt, dass im Kampf gegen den Klimawandel andere Herausforderungen zu bewältigen sind. Während Millionen von Menschen gezwungen sind, um ihr Überleben zu kämpfen, suchen andere nach technologischen Mitteln, um ihren Lebensstandard und ihren Komfort zu erhalten.

 

Die Geschädigten haben Rechte

Diese Forderung nach Wiedergutmachung ist keineswegs ein Akt des Bettelns. Aus Sicht von Mansour Ndiaye, Koordinator der Vereinigung zur Förderung der Agroforstwirtschaft (APAF)  im Senegal, haben die Opfer des Klimawandels ein Recht darauf.
„Wenn wir von Wiedergutmachung sprechen, meinen wir die Notwendigkeit, das auf Raubbau an den Ressourcen basierende Wirtschaftssystem aufzugeben. Es ist für uns Afrikaner ein Cocktail aus Kapitalismus, von internationalen Finanzorganisationen auferlegter neoliberaler Politik, aus Korruption, schlechter Regierungsführung und sozialer Ungerechtigkeit.“
Der APAF-Koordinator weist auch darauf hin, dass die Unternehmen, die in Afrika die Umwelt verschmutzen, keine afrikanischen Unternehmen sind. Es sind multinationale Konzerne, die ihren Hauptsitz in den Industrieländern haben und die durch illegale Mechanismen alle ihre Gewinne in die industrialisierten Länder transferieren. Im Senegal etwa, so Ndiaye, hätten seit der Entdeckung von Gas und Öl Unternehmen wie BP und Total diese Sektoren dominiert und die Ozeane verschmutzt: „Die neuen Fischereiabkommen der EU mit der senegalesischen Regierung verstärken den Raubbau noch weiter.“ Auch in Äquatorialguinea und Gabun werde, so Ndiaye, die Ölförderung von dynastisch regierenden Familienclans (die Bongo-Familie in Gabun und die Obiang Nguema Mbasogo-Familie), und den multinationalen Konzernen, die sie an der Macht halten, dominiert.
 

Der anklagende Ton ist verschwunden

Der Diskurs über Wiedergutmachung hat sich jedoch auf afrikanischer Ebene weiterentwickelt. Der anklagende und denunzierende Ansatz hat nicht die erwünschten Früchte getragen. Diese radikale Position der 1990er Jahre, die auch von NGOs in Südamerika, zum Beispiel in Chile, vertreten wurde, die die Begleichung der ökologischen Schuld von Nord nach Süd forderten, war nicht erfolgreich.

Kritiker:innen solcher Positionen halten sie für ein Alibi der Länder des Südens, die nur ihre Überschuldung gegenüber internationalen Finanzinstitutionen und westlichen Staaten begleichen wollen. Und die Regierungen der Industrieländer bleiben gegenüber einem Ansatz der Wiedergutmachung ablehnend.

Die aktuelle Herausforderung des Kontinents im Zusammenhang mit dem Klimawandel besteht nicht nur darin, die Anpassung zu finanzieren, sondern auch die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten zu überwinden, die den Kontinent blockieren.

Leider lässt sich das Prinzip der zivilrechtlichen Haftung nur schwer für Klimagerechtigkeit nutzen. Auch wenn die Legitimität der Entschädigung nicht in Frage gestellt werden kann, bleibt ihre praktische Umsetzung schwierig. Klimagerechtigkeit umfasst vier schwer miteinander zu vereinbarende Verantwortungsebenen: Verantwortung zwischen Staaten, Verantwortung zwischen Individuen, Verantwortung zwischen den Generationen und Verantwortung gegenüber der Natur.

Von Boubacar Diop

[1] COP21: Réparer l’injustice climatique en Afrique : https://studylibfr.com/doc/6658149/cop21---réparer-l-injustice-climatique-en-afrique