Brasilien: Indigene Frauen auch unter Lula kämpferisch

 

Auch wenn der Regierungswechsel in Brasilien für die Kämpfe der indigenen Gruppen in Brasilien sehr wichtig war und viele Anliegen unter der neuen Regierung von Lula da Silva nun endlich politisch umgesetzt werden können, bleiben die Herausforderungen für Brasiliens indigene Gruppen groß. Das betonten die ASW-Partnerinnen Maria Leusa Kaba und Ediene Kirixi von der indigenen Frauenorganisation Wakoborũn der Munduruku, die zu Ostern für eine internationale Konferenz nach Hamburg gekommen waren.
Dort hatte ASW-Unterstützer Sebastian Ritter Gelegenheit, mit ihnen über ihren Kampf gegen die Umweltzerstörung und die Gewalt am Tapajos Fluss zu sprechen. Gemeinsam mit der Beraterin der Wakoborũn Organisation Rosamaria Loures, sowie mit Vincius Mendes und Christian Russau vom FDCL und Thomas Schmidt, ebenfalls Kooperationspartner von Wakoborũn, verbrachten sie einen Tag in Hamburg. 


Zahlreiche Aktivitäten und Wachstum der Frauenorganisation Wakoborũn

Die Frauenorganisation Wakoborũn arbeitet eng mit den anderen politischen Gruppen der Munduruku zusammen. Auch konnten durch die Arbeit von Wakoborũn bereits neue Gruppen entstehen, darunter beispielsweise das Audiovisuelle Kollektiv der Munduruku. Maria Leusa Kaba berichtet, dass für dieses Jahr viele Aktionen geplant sind. Darunter kollektive Aktionen für die Autodemarkation von Land der noch nicht anerkannten Gebiete der Munduruku, Aktivitäten für die Überwachung der Territorien und aktuell Ende April das Acampamento Indigena Terra Livre (Indigenes Protestcamp Befreite Erde) in Brasilia. Dort werden alle indigenen Gruppen Brasiliens zusammen kommen und auch unsere Brasilienreferentin Silke Tribukait wird diesmal teilnehmen. 

 

Kollektive politische Selbstorganisation auch nach dem Regierungswechsel relevant

Für Brasiliens Indigene hat die politische unabhängige Selbstorganisation weiterhin einen extrem hohen Stellenwert, wie Maria Leusa Kaba und Ediene Kirixi  hervorhoben. Denn auch wenn nun indigene Vertreter:innen Teil der Regierung sind, bleibt die Struktur des Staates bestehen. 

Die politische Selbstorganisation der Munduruku und insbesondere der Organistion Wakoborũn basiert fundamental auf kollektiven und konsensbasierten Entscheidungsprozessen. So betonten die beiden Aktivistinnen immer wieder, dass das gegenseitige Zuhören und die Einbeziehung aller extrem wichtig für die Arbeit von Wakoborũn ist. Auf diese Weise und durch den kontinuierlichen Austausch mit den unterschiedlichen politischen Organisationen der Munduruku ist es dann auch möglich, mit einer gemeinsamen Position und kollektiven Forderungen zum Acampamento Terra Livre zu kommen. 

 

Anhaltende Bedrohungen durch Goldabbau und Großprojekte am Tapajos

Die große Bedeutung der Selbstorganisation für die indigenen Gruppen unterstreichen die beiden Aktivistinnen auch damit, dass die Lobby der Agroindustrie und des informellen Goldabbaus auch aktuell sehr stark sind. Eine Vielzahl von Munduruku sehen sich Morddrohungen ausgesetzt und nach wie vor sind viele der staatlichen Organe infolge der Bolsonaro Regierung kaum handlungsfähig. Auch deshalb sind die beiden Aktivistinnen der Meinung, dass sie nicht vom Staat abhängig sein dürfen. Nach wie vor bedeutet der brasilianische Staat für indigene Menschen in Brasilien eine Struktur, die tötet. Auch neben dem illegalen Goldabbau (Garimpo) sind viele weitere Projekte in Planung, die die Lebensgrundlage der Munduruku bedrohen. So ziemlich jede Form der Umweltzerstörung, die im Amazonas Regenwald stattfindet, lässt sich am Tapajos wiederfinden. So sind zahlreiche Wasserkraftwerke geplant, der Fluss soll mit Häfen für Containerschiffe ausgebaut werden und mit der Zugstrecke Ferrograo ist ein riesiges Bahnprojekt geplant.  

 

Bedrängung der indigenen Gemeinden durch CO2 Emissionshandel und grüne Ökonomie

Doch auch durch vermeintlich nachhaltige und vermeintlich grüne entwicklungspolitische Vorhaben sehen sich die indigenen Gemeinden einem hohen Druck ausgesetzt. Für die Organisation steht auch durch den Austausch mit anderen indigenen Gruppen fest, dass es sich beim CO2-Emissionshandel für sie um eine schädliche Lösung handelt, bei der indigene Gemeinschaften ausgebeutet werden, wodurch wiederum ihre Autonomie und Existenzgrundlage bedroht wird. Doch die Lobby der sogenannten Grünen Ökonomie ist so stark, dass sich die indigenen Gemeinschaften dem Druck der neuen Regierung und sogar einigen indigenen Dachverbänden ausgesetzt sehen, und das obwohl für alle Basisgruppen feststeht, dass sie CO2-Emissionshandel ablehnen. In der Tat wird deutlich, dass die lokalen Gemeinschaften im Zusammenhang mit CO2-Zertifikatshandel immer durch die multinationalen Firmen, die hinter dem Zertifikathandel stehen, ausgebeutet wurden und nicht profitieren konnten.

 

Pläne für den Ausbau eines weiteren Bildungszentrums in Nova Trairao

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohungen durch illegalen Goldabbau und extraktive Großprojekte, aber auch mit Hinblick auf die Lobby der sogenannten Grünen Ökonomie und deren Versuche, die indigenen Gemeinschaften zur Zustimmung zum CO2-Zertifikatshandel  zu drängen, wird einmal mehr deutlich, wie wichtig die unabhängige Kommunikations- und Aufklärungsarbeit der Organisation Wakoborũn ist. Durch die Organisation ist es möglich, dass sich die indigenen Gemeinschaften der Munduruku unabhängig informieren können und auch resilienter gegenüber Versuchen von Unternehmen sind, die indigenen Gemeinschaften zu spalten. Ein aktuelles Projekt, von dem die beiden Aktivistinnen berichteten, ist deshalb auch der Ausbau des Indigenen Bildungszentrums in Nova Trairão. Die Finanzierung dieses Vorhabens war ebenfalls Teil des Austausches mit den Projektpartner:innen.

 

Neuer deutschsprachiger Tapajos-Blog

Außerdem konnte Thomas Schmidt im Rahmen des Treffens ein Interview mit den beiden brasilianischen Aktivistinnen führen. Dieses soll der erste Beitrag im neuen Tapajos Blog werden. Dieser deutschsprachige Blog wird künftig über die Geschehnisse am Tapajos berichten. Denn wie auch Ediene Kirixi und Maria Leusa Kaba bestätigen konnten, lässt sich im Kontext der Umweltkonflikte am Tapajos Fluss wirklich das gesamte Spektrum der Bedrohungen für indigene Gemeinschaften und den Amazonas Regenwald wiederfinden.