Laut gedacht: Entwicklungspolitische Irrlichter

 

Unser Finanzminister Lindner, einige seiner Parteikolleg:innen und natürlich Oppositionspolitiker:innen aller Couleur meinen, angesichts „leerer Kassen“ und Schuldenbremse auf den populistischen Zug aufspringen zu müssen, der von rechts kommend durch die deutsche Medienlandschaft rauscht.

Ja, es gibt Gründe zur Kritik an staatlicher Entwicklungspolitik, manche Missstände, bestimmt auch Einsparpotential, aber darum geht es den Populisten nicht. Sie haben es auf den Kern von dem, was Entwicklungspolitik im Idealfall ist, abgesehen; auf internationale Solidarität und Verantwortung. Daran führt auch kein Faktencheck zur Rücknahme ausposaunter Lügen und aus dem Kontext gerissener Halbwahrheiten vorbei.

Warum Deutschland etwas zurückgeben muss

Entwicklungspolitik lässt sich nicht auf Radwege in Perus Hauptstand Lima runterbrechen. Entwicklungspolitik ist immer ein Ausdruck globaler Verantwortung. Und die haben wir, als eine der wichtigsten Exportnationen der Welt. Auch, weil wir unseren Wohlstand zu großen Teilen dem Rest dieser Welt verdanken. Ja, wir haben uns den Wohlstand, den demokratischen Rechtsstaat, unser Sozialsystem, unsere Infrastruktur und unser Gesundheitssystem hart erarbeitet, aber daran haben auch viele hundert Millionen Menschen im globalen Süden mitgearbeitet. Einen Großteil der Kosten für unseren Lebensstandard und unsere Sicherheit haben wir ausgelagert und auch nicht bezahlt. Die jahrhundertelange Ausbeutung von Ressourcen und billiger Arbeitskraft zum Beispiel. Die dadurch hervorgerufenen gesellschaftlichen Verwerfungen mussten andere ausbaden. Oder die Verschmutzung und Zerstörung riesiger Naturräume. Das haben wir alles nicht eingepreist in unsere Wohlstandsrechnung und darum hat Deutschland eine globale Verantwortung, wenigstens zu versuchen, diese Rechnung zu begleichen.

Deshalb kann es in der Entwicklungspolitik auch  nicht vorrangig um „deutsche Interessen“ gehen. Denn oft sind dies einfach die Interessen von regierenden Parteien an der Wiederwahl oder von Großunternehmen und Wirtschaftsverbänden, die sich im „globalen Wettbewerb“ den bestmöglichen Zugang zu Ressourcen und neuen Märkten sichern wollen.

Radwege anderswo für globalen Klimaschutz

Das heißt auch, dass Deutschland sich an internationale Abkommen halten muss – und darum den Radwegausbau in Lima fördert – , dass wir dazu beitragen müssen, internationale Institutionen zu stärken, Kooperation zu fördern und bei Katastrophen auch Menschen außerhalb Deutschlands unsere uneingeschränkte Hilfe zu geben. Mit den aktuellen Sparvorschlägen von Finanzminister Lindner wird das nichts. Entwicklungspolitik ist ein wesentlicher Beitrag für Frieden und Sicherheit in der Welt. Und die sind nötiger denn je.

Natürlich kann Deutschland nicht „alle Probleme dieser Welt lösen“, diesen Anspruch hat auch niemand formuliert, aber wir haben die Pflicht zu zeigen, dass wir ein Interesse an Lösungen haben und nicht wegschauen. Um demokratische Entwicklung zu fördern, humanitäre Hilfe zu leisten und Zivilgesellschaft zu stärken, muss Deutschland Geld in die Hand nehmen, mehr als bisher.

Entwicklungszusammenarbeit nimmt uns nichts weg

Das populistische Herumtrampeln auf der Entwicklungszusammenarbeit ist auch nur ein weiterer unsolidarischer Akt nach unten zu treten und Menschen im globalen Süden gegen aktuell verunsicherte deutsche Bürger:innen auszuspielen. Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe nehmen niemandem etwas weg.  Die 80 Milliarden Euro Steuerprivilegien pro Jahr für Superreiche in Deutschland, die in den öffentlichen Kassen fehlen, oder die Subventionen durch das Dienstwagenprivileg, schon eher. Aber das sind natürlich nicht die Baustellen der aktuellen Bundesregierung. Das sollten sie aber sein.

Zu viele Politiker:innen auch aus traditionell eher der Entwicklungspolitik wohlgesonnenen Parteien möchten, dass wir wegschauen, genau wie beim europäischen Migrationspakt oder bei der Verwässerung des europäischen Lieferkettengesetzes. Aber wegschauen ist keine Option, nicht für Deutschland, nicht für die ASW und schon gar nicht für unsere Partnerorganisationen.

Wir müssen hinschauen, die Hand reichen und dürfen niemanden zurücklassen. 

Von Marek Burmeister

 

EINLADUNG: Am Montag, den 3. Juni 2024 um 9:30 Uhr organisieren u.a. der Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen VENRO, Oxfam, Save the Children und andere Organisationen einen Fotostunt auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof, um gegen die drastischen Kürzungen bei humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zu protestieren. Im Anschluss findet um 10:00 eine Pressekonferenz statt. 

Sie sind eingeladen, bei dem Stunt und der begleitenden Pressekonferenz dabei zu sein.