Neue multipolare Welt – Die Perspektive von Pankaj Mishra


2014 erhielt der indische Historiker und Publizist Pankaj Mishra für sein Buch "Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens"“ den Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung verliehen. Gewürdigt wurde damals der nicht-europäische Blick auf den Westen, den der Autor in seinem Werk entfaltet. Dieser sei, so informiert die Website der Stadt Leipzig, für die Selbstverständigung Europas über die eigene Rolle in der heutigen Welt unentbehrlich.

Am 26.03.2023 hat das ZDF den zwischen Indien und Europa pendelnden Erfolgsautor zu Wort kommen lassen - befragt von dem Philosophen Richard David Precht. Wir freuen uns darüber, denn ein nicht-europäischer Blick auf die Dinge ist heute nötiger denn je.

Seit dem Ukraine-Krieg scheint, zumindest können wir das für Deutschland sagen, das Gesichtsfeld eher enger zu werden. Viele außereuropäische Geschehnisse, z.B. die Kriege in der Westsahara oder im Jemen, sind kaum noch eine Meldung wert. Es gibt kaum noch Gegenentwürfe zur Politik der USA, die auch von Ländern des globalen Südens erwarten, sich der Konfrontation mit Russland und China anzuschließen.

Aber sind Europa und die USA überhaupt noch der Nabel der Welt? Mishra verneint dies. Insbesondere stellt er klar, dass „die Zeit, in der der Westen durch seine Interventionen die Weltordnung bestimmte“, vorbei ist. Es gäbe heute viele wichtige Akteure auf der ganzen Welt. Und die würden die Weltordnung zunehmend gestalten. „Lassen Sie uns ihre Rolle anerkennen“, so seine Aufforderung.

Bemerkenswert findet der Autor zum Beispiel, dass China kürzlich ein Abkommen zwischen den bisher verfeindeten Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran verhandelt hat, und dieser Schritt von der westlichen Presse kaum beachtet wurde. Dabei sei China damit zu einem wichtigen Akteur im Mittleren Osten aufgestiegen. (Herausgekommen ist dabei kürzlich eine Friedensperspektive für den Jemen.)

Parallel dazu verliere der Westen zunehmend an Glaubwürdigkeit: „Spätestens seit Donald Trump und Boris Johnson ist der globale Süden nicht mehr bereit, die USA im Glanz westlicher Werte zu sehen.“

Deutschland regt er dazu an, sich von der Erzählung der vergangenen 30 Jahre, Globalisierung sei identisch mit Amerikanisierung, zu lösen. Deutschland sei ein Sonderfall in der westlichen Entwicklung, denn anders als die Kolonialmächte Frankreich, Großbritannien und USA habe es Verantwortung für die in der Vergangenheit begangenen Verbrechen übernommen. Nach der Teilung sei es darüber hinaus wichtig für die Einigung West-und Osteuropas geworden.
Deutschland sei prädestiniert dafür, mehr Verantwortung zu übernehmen und sich, so sinngemäß, ein unabhängiges Denken zu leisten, das die rasanten Veränderungen in der Welt nachvollzieht und das aus dem Schatten der USA heraustritt.

Bitte überzeugen Sie sich selbst und hören Sie Pankraj Mishras Denklanstöße: Zum Video