Partizipation der Zivilgesellschaft ist Demokratie

Warum Deutschland dringend ein neues Gemeinnützigkeitsrecht benötigt

Das Vertrauen in die Demokratie schwindet und weltweit treffen Wähler:innen Wahlentscheidungen zugunsten von autoritären Regierungen oder gehen gar nicht mehr an die Wahlurne. Von der Politik bis hin zur Sozialwissenschaft herrscht Einigkeit, dass nur neue Formen demokratischer Beteiligung diesen Trend wieder umkehren können.

In Deutschland gibt es für eine Stärkung der Demokratie schon gute Voraussetzungen. 2022 wurden 656.888 gemeinnützige Organisationen gezählt, von denen etliche für eine bessere Gesellschaft eintreten und zusätzlich zu den traditionellen Parteien die politische Willensbildung im Land organisieren. Sie treten auch als „Wächterinnen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten“ auf, so die Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung, der wir als ASW angehören.

Die zivilgesellschaft will Impulse für gesellschaftlichen Wandel geben

Auch der Deutsche Stifterverband registriert eine zunehmende Bedeutung der Zivilgesellschaft. „Immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen wollen Impulse für gesellschaftlichen Wandel geben und politisch mitgestalten", so der Verband bei der Veröffentlichung des Trendberichtes ZiviZ 2023. Waren Organisationen des gemeinnützigen Sektors in der Vergangenheit überwiegend an den Interessen eigener Mitglieder orientiert, verstünden sie sich heute vermehrt als Akteurinnen der politischen Willensbildung, Sozialinnovatorinnen und Förderorganisation.

Es ist an der Zeit, dass gemeinnützige Organisation an der politischen Willensbildung mitwirken

Es ist unverständlich, dass gerade die Ampel-Koalition dieses Potential bislang zu wenig würdigt. 2021 ist sie immerhin mit einem Koalitionsvertrag angetreten, der eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts oben auf der Agenda hatte. Denn das aktuelle ist veraltet. Es geht noch immer davon aus, dass nur die Parteien die politische Willensbildung gestalten und gemeinnützige Organisationen sich doch bitte um Wohlfahrtspflege, Tierschutz und Sport zu kümmern haben.

Finanzämter haben in der Vergangenheit auf dieser Grundlage entschieden und z.B. 2014 der für eine Regulierung der Kapitalmärkte engagierten Organisation attac die Gemeinnützigkeit entzogen. Der Bundesfinanzhof bestätigte 2019 diese Entscheidung. Auf dieser Grundlage wurde auch Campact die Gemeinnützigkeit aberkannt. Seit diesen „Vorfällen“ sind gemeinnützige Organisationen und auch wir, die ASW, hochgradig verunsichert. 

Auch diese Verunsicherung hat die Erhebung des Stifterverbandes belegt: Insgesamt gaben 5 Prozent der Organisationen an, sich aus Sorge um ihren Gemeinnützigkeitsstatus nicht intensiver politisch zu engagieren. "30.000 Vereine mischen sich nicht für Demokratie ein, obwohl sie es wollen", so der ZiviZ 2023.

Gesetzentwurf zum Gemeinnützigkeitsrecht für den Herbst angekündigt

Immerhin hat (nach Informationen der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung) das Bundesfinanzministerium für den aktuellen Herbst einen Gesetzentwurf angekündigt, wobei die Qualität der Vorschläge des Ministeriums noch völlig offen ist. Möglicherweise sieht die FDP gerade „Umwelt-, Tier- und Klimaschutz-Organisationen als Verbündete einer anderen Partei“, mutmaßt die Allianz. Dieser Prozess bedürfe daher weiterhin „intensiver Beobachtung und Einmischung“.

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