Zwischen Frust und Widerstand

Internationale Klimakonferenz im brasilianischen Amazonasgebiet

Die globalen Klimaverhandlungen haben in den letzten Jahren an Attraktivität verloren. Sie drohten zu Megaevents unter starkem Einfluss der fossilen Lobbygruppen zu werden. Mit der 30. Weltklimakonferenz, der COP30, die diesen November im brasilianischen Belém im Amazonasgebiet stattfindet, soll sich das nun ändern.

 

Die Wahl des Konferenzorts ist symbolisch stark

Als Luiz Inácio „Lula“ da Silva im Oktober 2022 zum Präsidenten Brasiliens gewählt wurde, endete die Zeit der rechtsgerichteten Bolsonaro-Regierung, die sich Klimaschutzzielen kaum verpflichtet fühlte. Lula kündigte gleich zu Beginn seiner Amtszeit an, die COP30 nicht nur nach Brasilien, sondern bewusst ins Amazonasgebiet zu holen – als sichtbares Zeichen an die Welt, dass Brasilien wieder auf Zusammenarbeit und internationale Klimapolitik setzt. Anders als sein Vorgänger unterstützt Lula die multilateralen Bemühungen, globale Umweltziele zu erreichen.

Mit der Wahl von Belém als Konferenzort unterstreicht Lula zudem die zentrale Bedeutung Amazoniens für das globale Klima und gibt den Menschen und ihren Kämpfen vor Ort Sichtbarkeit. Denn die COP30 soll auch eine COP der Präsenz indigener Völker und traditioneller Gemeinschaften in Amazonien werden. Aber nicht zuletzt soll sie natürlich auch eine Bühne für die Erfolge der Regierung Lula sein.

Tatsächlich hat die Regierung Lulas einiges vorzuweisen. Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens gibt es ein Ministerium für indigene Fragen mit einer indigenen Ministerin. Darüber hinaus ist die Entwaldung in Amazonien in den ersten zwei Jahren der Regierung deutlich zurückgegangen.

 

Aber nicht alles läuft gut – zu wenig Betten, zu viel Erdöl

Die Schlagzeilen der internationalen Presse sind im Vorfeld der COP allerdings von etwas anderem bestimmt: den absurden Preisen für Übernachtungen in den Hotels Beléms. Die Regierung und die Präsidentschaft der COP wollten dies zunächst als eines der üblichen Probleme der immer größer werdenden COPs abtun. Aber dann meldeten sich kleinere Staaten Afrikas und des Pazifiks zu Wort, und stellten ihre Teilnahme wegen der zu hohen Kosten in Frage. Die Profitgier des Hotelsektors und eine verbreitete Goldgräberstimmung gefährden somit den inklusiven Charakter der Konferenz. Eine COP ohne viele Länder des Globalen Südens wäre ein GAU für die Ambitionen der Lula-Regierung. Es bleibt abzuwarten, inwieweit eine  Schadensbegrenzung in letzter Minute gelingt.

 

Symbolisches Spektakel oder Ende des fossilen Zeitalters

Bald kamen jedoch auch Zweifel an der Idee einer Wald- und Amazonien-COP auf. Wie sieht es denn eigentlich mit der Verhandlungsagenda aus? Die Reduzierung von Entwaldung steht nämlich nicht auf der Tagesordnung. Wenn die COP nicht zu einem symbolischen Spektakel verkommen soll, darf sie die zentrale Frage der globalen Klimapolitik nicht ignorieren: das unvermeidliche Ende des fossilen Zeitalters.

Diese Debatte kommt der brasilianischen Regierung höchst ungelegen, denn Erdöl ist mittlerweile das wichtigste Exportprodukt Brasiliens. Ausgerechnet im Bereich der Amazonasmündung sollen neue Ölfelder erschlossen werden. Dieses Unterfangen ist sehr umstritten, da es große Risiken für das sensible Ökosystem und für die Lebensgrundlagen der lokalen indigenen Gemeinschaften mit sich bringt. Treiberin ist die halbstaatliche Ölgesellschaft Petrobras, deren Präsidentin sich als Verfechterin eines ungebremsten Bohrprogramms („Drill, baby, Drill“) profiliert hat. Präsident Lula unterstützte dies ausdrücklich und kritisierte gleichzeitig die brasilianische Umweltbehörde für ihre zögerliche Bewilligung der erforderlichen Genehmigungen.

 

Eine COP des Widerstands

Die COP 30 wird kaum einen wichtigen Fortschritt in den zähen Klimaverhandlungen bringen – aber sie kann zu einer COP der sozialen Bewegungen und des Widerstands werden. Indigene Völker und traditionelle Gemeinschaften wollen ihre Sichtbarkeit nicht auf die oftmals eher symbolische Beteiligung an der offiziellen Konferenz beschränken, sondern sie durch Mobilisierung auf den Straßen und öffentlichen Räumen Beléms garantieren. Zusammen mit den vielfältigen sozialen Bewegungen Brasiliens rufen sie zum „Gipfel der Völker“ (Cúpula dos Povos) auf. Zu dieser alternativen Konferenz werden 15.000 Menschen erwartet. Neben dem Gipfel wird es zudem eine unübersehbare Fülle an Veranstaltungen und Protesten geben. Als Höhepunkt ist am 15. November eine große Demonstration in Belém geplant. So kann die COP 30 zu einem Fest der Demokratie und des Widerstands werden, bei dem die sozialen Bewegungen ihre Forderungen und Alternativen sichtbar machen können.

 

Klimapolitik: Eine Frage globaler Gerechtigkeit?

Dies alles wird einerseits parallel zu den offiziellen Verhandlungen stattfinden, andererseits wird es aber auch Austausch und Kommunikation zwischen „drinnen“ und „draußen“ geben. Denn es gibt durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Protesten und den Akteuren im offiziellen Verhandlungsprozess. So teilen viele Länder des Globalen Südens mit den sozialen Bewegungen die Ansicht, dass Klimapolitik vor allem eine Frage der globalen Gerechtigkeit ist. Auch die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung indigener Völker und traditioneller Gemeinschaften wird sowohl auf den Straßen Beleḿs als auch in den Verhandlungsräumen eine wichtige Rolle spielen – insbesondere bei Fragen der Finanzierung.

Auf der COP 29 in Baku sollte die Zukunft der Klimafinanzierung abschließend beschlossen werden. Die Länder des Globalen Südens sind jedoch mit den Baku-Beschlüssen extrem unzufrieden. Sie bemängeln, dass die in Baku von den Industrieländern zusagten Finanzmittel für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die  verursachten Klimaschäden zu decken. Deshalb wollen sie die Finanzierungsfrage auf der COP30 in Belém erneut verhandeln und fordern von den Verursacherstaaten angemessene finanzielle Unterstützung für die betroffenen Länder.

COPs sind nicht nur Orte, an denen (immer unzureichende) Schritte im Kampf gegen den Klimawandel verkündet werden, sondern auch Orte der Propagierung falscher Lösungen. Zu einem großen Streitpunkt ist der CO2-Handel geworden, der insbesondere von den Gouverneuren Amazoniens als Perspektive im Kampf gegen Entwaldung propagiert wird, während indigene Völker und traditionelle Gemeinschaften dagegen protestieren, dass ihre Territorien zu einer Handelsware für Klimakompensation werden. Auch dies wird ein Schwerpunkt der Debatten und Proteste sein.  Der November in Belém verspricht spannend zu werden!

Thomas Fatheuer