Der senegalesische Staat befindet sich seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 in einer chronischen Verschuldungssituation. Die neue unabhängige Republik startete bereits mit Schulden. Sie waren von den Kolonialherren aufgenommen worden, um die kolonialen Aktivitäten zu fördern. Dazu zählten etwa die Ausbeutung von Rohstoffen und der Bau von Infrastruktur für den Export von Agrar- und Bergbauprodukten in die Metropole.
Seitdem hat das Land seine Wirtschaft über Kredite gefördert. Sowohl Leopold Senghor als auch Abdou Diouf, die beiden ersten Präsidenten, nahmen hohe Schulden auf, um ihre Entwicklungsprojekte zu finanzieren.
Strukturanpassung und Privatisierung von Infrastruktur
In den 1970er und 1980er Jahren erreichte die Verschuldung ein unhaltbares Niveau. Es kam zur Schuldenkrise und die Gläubiger des Senegal übernahmen zusammen mit der Weltbank die Kontrolle über die Wirtschaft des Landes, indem sie Strukturanpassungsprogramme durchsetzten. Über Wirtschafts- und Währungsreformen sollte die Situation des Landes wieder ins Gleichgewicht kommen, um die Gläubiger zu bedienen. Unternehmen in wichtigen Sektoren wie Elektrizität (SENELEC), Telekommunikation (SONATEL) und Wasserversorgung (SONES) wurden privatisiert und von französischen Unternehmen übernommen. Die öffentlichen Ausgaben wurden drastisch gesenkt.
Der Weg in die Hochverschuldung
Über die Jahre haben sich diese Maßnahmen als kontraproduktiv erwiesen. Sowohl in Bezug auf die Wirtschaft als auch auf die Verschuldung gab es keine Verbesserungen. In den 1996er Jahren verschärfte sich die Schuldenkrise und führte dazu, dass Senegal als hochverschuldetes armes Land eingestuft wurde. So wurde er in die IPPTE-Initiative einbezogen, deren Ziel es war, die Schulden der betroffenen Länder zu reduzieren. Auf wirtschaftlicher Ebene befindet sich der Agrarsektor in einer tiefen Krise und die Arbeitslosigkeit steigt.
Weitere Programme, die in diese Richtung gehen, werden ständig und je nach Kontext verabschiedet, ohne positive Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu haben. Zu nennen sind hier die Multilaterale Schuldenerleichterungsinitiative (Multilateral Debt Relief Initiative) im Jahr 2005 und die G7- und IWF-Initiative zur Abschaffung des Schuldendienstes für die ärmsten Länder während der Covid-Pandemie.
Abhängigkeit von den Gläubigern bleibt
All diese Maßnahmen haben jedoch nur dazu geführt, dass das Land weiterhin in einem Kreislauf der Verschuldung verharrt und die senegalesische Wirtschaft von den Weisungen der Gläubiger und multilateralen Institutionen wie dem IWF und der Weltbank abhängig ist.
Wie Präsident Thomas Sankara auf dem Gipfel der Organisation für Afrikanische Einheit (Vorläufer der AU) 1987 sagte: "Die Schulden in ihrer gegenwärtigen Form sind eine geschickte Rückeroberung Afrikas, damit sein Wachstum und seine Entwicklung nach Stufen und Normen ablaufen, die uns völlig fremd sind".
Verschuldungsstand höher als von Macky Sall berechnet
Im Jahr 2023 wird die Staatsverschuldung des Senegal auf 72,2 % des BIP geschätzt, der Schuldendienst auf 29,8 % der Staatseinnahmen. Diese Zahlen liegen über den durchschnittlichen Indikatoren der UEMOA (Union Economique et Monétaire des Etats de l'Afrique de l'Ouest), die bei 70% des BIP liegen.
Die Zahlen sind rot, doch die aktuelle Regierung hat nach einer kürzlich durchgeführten Prüfung der öffentlichen Finanzen eine noch weitaus alarmierendere Situation festgestellt. Sie schätzt die Staatsverschuldung auf 83% des BIP und beschuldigt die ehemalige Regierung von Macky Sall, die Schuldenzahlen gefälscht zu haben. Die Prüfung der neuen Regierung wurde dem Rechnungshof vorgelegt, der sie bestätigen oder ablehnen muss.
Seit 2010, dem Ende des liberalen Regimes von Abdoulaye Wade und dem Beginn der Herrschaft von Macky Sall, ist die Verschuldung des Senegal erheblich angestiegen. Im Jahr 2010 betrug das Schuldenvolumen 233 Millionen US-Dollar und im Jahr 2023 wird es 25,5 Milliarden US-Dollar betragen. Die Abhängigkeit Senegals von externen Gläubigern wird immer größer. 76% der Staatsschulden werden heute von Nichtansässigen gehalten, mehrheitlich öffentliche multilaterale Geber wie die Weltbank oder bilaterale wie China. Senegal ist das Land, das am häufigsten beim Pariser Club (informelles Gremium aus Geber- und Schuldnerstaaten) für Umschuldungen und neue Kredite vorstellig wurde.
Geld für Schuldentilgung statt für Bildung und Gesundheit
Seit langem gibt Senegal mehr Geld für die Schuldentilgung aus als für Investitionen in lebenswichtige Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft oder die Bewältigung der negativen Auswirkungen des Klimawandels.
Der Bildungssektor hat mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen, da es an Infrastruktur und guten Lehrkräften mangelt. Die Klassenzimmer sind überfüllt. In einem Dorf wie Bambylor, das ich am besten kenne, liegt die durchschnittliche Schülerzahl pro Klassenzimmer bei 65 Schülern. Da der Staat nicht mehr in der Lage war, die Ausbildung der Lehrer zu finanzieren, müssen Schulen auf das Freiwilligenprogramm für Lehrer zurückgreifen. Dies hatte einen erheblichen Einfluss auf die Qualität des Unterrichts, der sehr schlecht geworden ist.
Kaum einheimische Wertschöpfungsketten
Die Arbeitslosenquote steigt stetig an und liegt 2024 bei 23,2%. Die Sparmaßnahmen haben den Aufbau einheimischer Wirtschaftskreisläufe verhindert. Der Großteil der Rohstoffe – Gold aus Sabadola in Kédougou, Fisch aus dem Atlantik, neu entdecktes Öl und Gas – ist für den Export bestimmt. Das Ziel ist es, Devisen zu sammeln, um die Schulden zu bezahlen. Starke Wertschöpfungsketten, die vor Ort Arbeitsplätze schaffen, sind kaum vorhanden. Der Großteil der Wirtschaft wird von einem informellen Sektor getragen, der um sein Überleben kämpft. Sektoren wie die Fischerei und die Landwirtschaft, die den Großteil der senegalesischen Bevölkerung beschäftigen, tragen nur 15% zum BIP bei. Viele Fischer, die nicht mehr von ihrer Tätigkeit leben können, haben sich auf den Weg über das Meer nach Europa gemacht, um eine bessere Zukunft zu finden.
Die exponentiellen Schulden dienten lediglich der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte, die multinationalen Unternehmen und einer lokalen Elite Profite brachten.
Klimawandel und Verschuldung als die großen Herausforderungen
Im Hinblick auf die Auswirkungen des Klimawandels steht das Land ebenfalls vor zahlreichen Herausforderungen. Städte wie Saint-Louis, Bargny und Rufisque sind von der Küstenerosion bedroht, die in großen Schritten voranschreitet. In Gebieten wie Matam und Bakel kommt es regelmäßig zu Überschwemmungen, die große materielle Schäden verursachen. Im Kontext der Schuldenkrise werden diese Bereiche und Probleme weiterhin vernachlässigt, um die Rückzahlung an die Gläubiger zu ermöglichen.
Von Boubacar Diop
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