In Togo werden die Teller der Verbraucher:innen meist mit importierten Nahrungsmitteln gefüllt. Gerichte mit asiatischem Reis, Spaghetti, Couscous, Erbsen oder Weizenbrot sind heute „landestypisch“. Aber auch wenn mal lokale Produkte wie Mais, Sorghum, lokaler Reis, Maniok, Süßkartoffeln oder Gemüse auf den Tisch kommen, stammen weitere Zutaten wie Öl, Brühe, konzentrierte Tomaten oder Fleisch, Fisch und insbesondere Geflügel und Fisch aus dem Import.
Infolge der durch den Ukrainekrieg gestiegenen Weltmarktpreise für Getreide wird Togo nicht umhin können, sich stärker auf lokale Produkte auszurichten. Dazu werden auch Togos Kleinbäuer:innen benötigt, von denen in den vergangenen Jahren viele verarmt sind, weil ihre Produkte nicht mit den Billigimporten konkurrieren konnten. Jetzt haben sie eine enorme Chance, die es zu nutzen gilt. Unsere Partnerorganisation OADEL macht vor, wie ein Umsteuern gehen könnte.
Wir haben mit Tata Ametoenyenou von OADEL über die fällige Ernährungswende in Togo gesprochen und über die Pionierarbeit seiner Organisation.
Bereits seit 2015 entwickeln wir Maßnahmen, um die Mentalität der Verbraucher:innen zu ändern. Ziel ist es, die Zusammenhänge zwischen Lebensmitteln, Gesundheit und wirtschaftlicher Entwicklung eines Landes zu vermitteln. Das machen wir mit Filmen zu Landwirtschaft und Ernährung oder mit Radiosendungen, wir verteilen Flyer und Broschüren, schalten Anzeigen. Aber auch über die sozialen Netzwerke konnten wir eine große Zahl von Bürger:innen für die Konsumption lokaler, regionaler Produkte gewinnen.
Die meisten unserer lokalen Produkte haben einen sehr hohen Nährwert. Rotes Palmöl (unraffiniert und unverarbeitet) gilt zum Beispiel als das an Vitamin A reichste natürliche Lebensmittel; es enthält etwa 15-mal mehr Vitamin A als Karotten.
Außerdem werden die meisten Lebensmittel in unserem Land unter natürlichen Bedingungen hergestellt. Sie enthalten keine Zusatzstoffe oder Chemikalien, die unsere Gesundheit schädigen können, im Gegensatz zu importierten Produkten, von denen einige die Ursache für Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind.
Die ökologischen Produktionsbedingungen, aber auch die Qualität des Saatguts, das nicht transgen ist, sorgen für die Qualität der von uns erzeugten Produkte. Darüber hinaus werden die Grundsätze der Erhaltung der biologischen Vielfalt beachtet.
Schließlich möchte ich noch den wirtschaftlichen Effekt auf unser Land nennen: Indem wir unsere togoischen Produkte konsumieren, tragen wir dazu bei, dass unser Land keine Devisenverluste erleidet. Wir helfen unseren Erzeugern, von ihren landwirtschaftlichen Ressourcen zu leben, und ermutigen sie, mehr zu produzieren.
Außerdem sind die Verbraucher:innen ausreichend über den Inhalt ihrer Lebensmittel informiert, wenn diese in ihrer Region hergestellt wurden. In diesem Sinne ist das Recht des Verbrauchers auf Information gewährleistet.
Sowohl Einzelpersonen als auch Haushalte haben unsere Botschaften sehr schnell verstanden und angenommen. Denn sie sind sich der Zunahme von Krankheiten wie Bluthochdruck, Krebs, Diabetes bewusst, die es in unseren Gesellschaften vor einigen Generationen noch nicht gab. Hinzu kommt der reale Verlust der biologischen Vielfalt: Bestimmte Kulturpflanzen werden kaum mehr angebaut. Auch die traditionelle Kochkunst kennt kaum noch jemand: Nahrungsmittel wie Maniok- oder Maiskuchen, roter Reis, bestimmte Bohnensorten sind völlig verschwunden.
Viele Haushalte wollen nun wieder gesunde und nahrhafter lokale Produkte kaufen. Daher hat OADEL ein Unterstützungsprogramm für den Agrar- und Ernährungssektor entwickelt und hilft togoischen Unternehmern, die landwirtschaftliche Rohstoffe in Lebensmittel umwandeln, gute Hygiene- und Herstellungspraktiken umzusetzen sowie an Zertifikate für die Vermarktung zu gelangen.
OADEL hat außerdem ein Geschäft und ein Bar-Restaurant namens BoBaR eingerichtet, in dem mehr als vierhundert lokale Produkte ausgestellt und verkauft werden. Die jährlichen Einnahmen von BoBaR steigen jedes Jahr und erreichen 2021 einen Umsatz von fast 48 000 Euro. Dank des Beispiels von BoBaR sind heute in Lomé und im Landesinneren mehrere Geschäfte mit lokalen Produkten eröffnet worden, ein Zeichen dafür, dass die Verbraucher die Idee des lokalen Konsums begrüßen.
Dank der finanziellen Unterstützung der ASW hilft OADEL den traditionellen Bäckereien in Togo bei der Herstellung und Vermarktung von Brot aus lokalen Getreidesorten, unter anderem aus Soja-, Sorghum- oder Maniokmehl.
Togo kennt nämlich nur Weizenbrot, und Weizen wird in Togo nicht angebaut. Unser Projekt unterstützt Bäuer:innen in Genossenschaften, die Soja, Sorghum oder Maniok produzieren.
Sie gehen Geschäftsbeziehungen mit Verarbeitungsgenossenschaften ein, die die angebauten Körner oder Knollen zu vereinbarten und garantierten Preisen kaufen. Die Verarbeiter stellen Brotmehl her, das an die vom Projekt betreuten Bäckereien ebenfalls zu vereinbarten Preisen verkauft wird.
Im Rahmen des Projekts wurden bereits mehr als 700 Bäcker:innen darin geschult, lokales Brot mit einer Mischung aus 15 % lokalem Mehl und 85 % Weizenmehl herzustellen. Diese Brote werden an Privatpersonen, aber auch an Schulkantinen verkauft.
Durch die so geschaffene Wertschöpfungskette werten wir die lokale Produktion und die lokalen Zutaten auf.
Der Sojaanbau in Togo nimmt heute immer größere Ausmaße an. Als Cash-Crop-Kultur übertrifft Soja sogar Kaffee und Baumwolle. Togo produziert dabei sowohl konventionelle als auch biologische Sojabohnen. Beide Sparten sind überwiegend auf den den Export ausgerichtet und Togo ist in Westafrika das größte Exportland für Bio-Soja in die Europäische Union.
Heute wollen alle togoischen Bauern Soja anbauen, da der Preis einträglich ist. Die Regierung greift ein, um den Sektor zu organisieren und zu regulieren. So gibt es in Togo einen Branchenverband für Soja mit dem Namen CIFS-TOGO: Conseil Interprofessionnel de la Filière Soja au Togo (Branchenverband der Sojabranche in Togo).
Ja, OADEL arbeitet an verschiedenen lokalen Nahrungsmitteln: Fruchtsäfte, Reis und Tomaten, Mehl für Kindernahrung, Kekse und Brot aus der Region, um nur einige zu nennen. Unsere Vision ist es, immer mehr einheimische Lebensmittel für immer mehr Verbraucher:innen verfügbar und zugänglich zu machen, um importierten Produkten immer mehr Marktanteile abzunehmen, und damit immer mehr Wertschöpfung, Einkommen und Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen.
Das Interview wurde von Boubacar Diop geführt und von Tata Ametoenyenou im November 2022 aktualisiert.
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