Obwohl der Oberste Gerichtshof von Andhra Pradesh am 24. Juli 2021 erneut verfügte, dass Umsiedlungen erst beginnen dürfen, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Entschädigungszahlungen abgeschlossen und Ersatzsiedlungen fertiggestellt sind, haben Projektverantwortliche ohne diese Voraussetzung mit der Flutung und damit faktischen Vertreibung der Menschen begonnen. Das ist nicht nur unrecht, sondern fatal, weil aktuell auch starke Monsun-Überflutungen eingesetzt haben. Der „Fall“ wird von dem Gericht erst am 23. August erneut verhandelt, also dann, wenn es für viele Betroffene vielleicht schon zu spät ist.
Auslöschung der Adivasi-Kultur
Bereits 1991 hatten indische Partner*innen die ASW gebeten, sich gegen die drohende Vertreibung Hunderttausender Menschen und die Zerstörung von Sozialleben und Kultur ganzer Adivasigemeinschaften einzusetzen. In der hügeligen, schwer zugänglichen Region des Flusslaufes konnten diese lange ein relativ ungestörtes und durch die Rhythmen der Jahreszeiten, des Waldes und Flusses bestimmtes Leben führen. Die Existenzweise der Adivasi und ihre genaue Zahl ist nicht ausreichend durch staatliche Stellen dokumentiert, zumal viele je nach Jahreszeit und Naturgegebenheiten einfache Hütten an verschieden Orten nutzen.
Selten gibt es angemessene Entschädigungen
Auch bei einer korrekt durchgeführten Umsiedlung würden die Adivasi die Grundlage ihrer gemeinschaftlichen Lebensweise verlieren. Die an Qualität und Quantität völlig unzureichenden Umsiedlungslager und Entschädigungen stellen in keiner Weise einen Ausgleich zu den erlittenen Verlusten dar – für einen Neustart reichen sie längst nicht aus. „Unser Leben wird dann beendet sein“, bringt es eine Adivasi-Frau bei unserem Partner ADRF drastisch auf den Punkt. „Der Wald und die Natur, die uns so lange beschützt und genährt haben, werden sterben und wir mit ihnen.“
Als wir unsere Zusammenarbeit mit dem Netzwerk ADRF begannen, ging es noch darum, den Staudamm zu verhindern. Und es gab Hoffnung: Denn immer wieder wurde das 2004 begonnene Großprojekt durch Gerichtsurteile, fehlerhafte Umweltgenehmigungen und Finanzierungsengpässe gestoppt. Siehe unser Beitrag von 2018
Die Betroffenen fordern ihr Recht ein
Doch als nach Fertigstellung von zwei rund 100 KM langen Bewässerungskanälen 2015 der Bau der Staumauer begonnen wurde, wurde es „ernst“. Der Staat begann die Region zu vernachlässigen und unterließ notwendige Infrastrukturmaßnahmen. Das Leben der Menschen wurde immer schwieriger. Während des Monsuns waren oft ganze Dörfer abgeschnitten. Viele Anwohner*innen hatten sich – teils auf Empfehlung staatlicher Stellen - in Hütten höher gelegener Gebiete zurückgezogen, von denen sie dann aber wieder vertrieben wurden.
In dieser Zeit verstärkte unser Partner „Adivasi Development and Rights Forum", ADRF, seine Anstrengungen zur Unterstützung betroffener Menschen. Vor allem ging es jetzt darum, die Regierung von Andhra Pradesh auf die Einhaltung geltenden Rechts zur Anhörung der Betroffenen und auf korrekte Umsiedlung und Entschädigung zu verpflichten. Vor allem aber organisiert und stärkt die Organisation die Menschen vor Ort, damit diese bei Verhandlungen mit der Regierung ihre Rechte besser durchsetzen können.
So gab es in den vergangenen Jahren immer wieder große Proteste von Adivasigruppen, die der Regierung vorwerfen, ihre Rechte komplett zu ignorieren. Im Juli 2018 zogen Hunderte von Adivasi durch Dörfer, die durch den Stausee von der Landkarte verschwinden werden. Sie forderten schon damals von der Regierung angemessene Entschädigungen und korrekte Umsiedlungen.