Indische Kleinbäuerinnen und eine Slumbewohnerin berichten von ihrem Weg

 

Ich war eine Kinderarbeiterin und kann jetzt anderen zu Stärke verhelfen


Chithirai Selvi ist eine 39-jährige Frau aus dem Dorf Pilathu im Dindigul-Distrikt in Tamil Nadu. Sie hat eine Tochter und einen Sohn, der noch die 12. Klasse besucht und danach studieren will. Die Tochter hat die 12te abgeschlossen und lernt nun zuhause das Schneidern. Chithirai selbst wurde von ihren Eltern wegen Armut nach dem 6. Schuljahr von der Schule genommen, und als Kinderarbeiterin in eine Textilfabrik geschickt.
Heute arbeitet sie als Schneiderin und Ziegenzüchterin, ihr Mann ist Schreiner und als Wanderarbeiter meist an anderen Orten. Ihre Arbeitswoche besteht aus häuslichen Arbeiten wie Kochen, Waschen, Nähen, Kinderbetreuung, Schneidern, bezahlten Gelegenheitsjobs, Versorgung der Ziegen, Anbau des Futters und Dienstleistungen für SHG-Mitglieder zur Inanspruchnahme von Regierungsprogrammen. Wegen der steigenden Preise für das Flaschen-Gas zum Kochen sammelt sie nun auch Brennholz.
Ihre Einkommensbasis sind ihre kleine Landwirtschaft und vor allem die Ziegenzucht, bezahlte Arbeiten im Rahmen des ländlichen Arbeitsbeschaffungs-Programms NREGA und Lebens mittel auf Ration-Cards (Nahrung aus dem staatlichen Unterstützungsprogramm). Außerdem erhält ihr Sohn vom Staat ein Schul-Stipendium.

Die Fläche, die die Familie bewirtschaftet, ist vom Regen abhängig. Früher haben sie Hülsenfrüchte und verschiedene Hirsearten angebaut, jetzt sind es Mais und Futtermittel. Einen Ernteüberschuss, den sie verkaufen kann, erzielt sie nur, wenn es genügend regnet.
Die Coronapandemie war eine besondere Herausforderung für Chiththirai Selvi, vor allem weil ihr Mann, der immer als Wanderarbeiter unterwegs war, nun lange zu Hause blieb und kein Einkommen hatte. Sie musste nun noch mehr kochen und reinigen. Sie hatte dann auch gesundheitliche Probleme und mit ihrem Mann entstanden Spannungen.

Von uns gebeten, von ihrer aktuellen Lage etwas zurückzutreten und zu überlegen, worin die größte Veränderung in ihrem Leben der vergangenen 10 Jahre lag, nennt sie ihre Selbstermächtigung. „Ich bin Kinderarbeiterin und seit 16 Jahren verheiratet, ich wusste überhaupt nichts über allgemeine Dinge und Rechte. Heute habe ich mehr Wissen, Verhandlungsgeschick und Mut als andere und gebe meine Fähigkeiten an andere weiter. Ich bin die Leiterin meiner Gruppe, helfe anderen, Programme in Anspruch zu nehmen und Rechte bei der Gemeindeverwaltung einzufordern, und ich berate Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.“


Ich motiviere andere Frauen durch das Vorbild meiner Öko-Landwirtschaft

Sabitri Hembrom ist eine 36-jährige, verheiratete Kleinbäuerin aus dem Dorf Tamukhpal im Bundesstaat Jharkhand. Sie kommt aus einer Adivasigemeinschaft. Zusammen mit ihrem Ehemann bewirtschaftet sie Land, das ihrem Schwiegervater gehört. Nachdem beide anfangs nur Reis, Hülsenfrüchte und Gemüse gezogen hatten, verbreiterten sie ihre Einkommensgrundlage und bauten eine kleine Schweinezucht auf.
„Nach 3 Jahren harter Arbeit läuft diese und hat unser Einkommen erhöht“, freut sich Sabitri Hembrom. An Wasser scheint es ihnen nicht zu mangeln. „Ursprünglich holte ich das Trinkwasser mit einer gewöhnlichen Handpumpe. Aber jetzt haben wir einen eigenen gebohrten Brunnen für Trinkwasser, der alle unsere Bedürfnisse erfüllt“, informiert uns Sabitri Hembrom. Auch für die Bewässerung von Gemüse verwendet die Familie Wasser aus dem Brunnen. Für den Reisanbau bleiben sie allerdings auf Regen angewiesen. Daher ist es hilfreich, dass die Familie auch noch eine Berechtigungskarte für Lebensmittel aus dem staatlichen Lebensmittelverteilungssystem hat.

Befragt danach, was die größte Veränderung in ihrem Leben war, nennt Sabitri Hembrom die wirtschaftliche Verbesserung durch die Diversifizierung ihrer Landwirtschaft und dass sie diese Erfahrung nun – in und außerhalb der Treffen in ihrer dörflichen Frauen-Selbsthilfegruppe – an andere weitergeben kann. „Ich bringe anderen Frauen bei, dass sie sich nicht auf den Reisanbau verlassen sollten, sondern auch Gemüse anbauen und Vieh züchten sollten, um ein zusätzliches Einkommen zu erzielen.“ Dabei wünscht sich Sabitri Hembrom noch mehr eigene Kompetenz und mehr Unterstützung. „Ich möchte eine bessere Ausbildung und finanzielle Unterstützung, um meine landwirtschaftlichen Praktiken und meine Viehzucht weiter zu verbessern.“

 

Mit Wissen und besseren Einkommen die Fehlernährung der Kinder bekämpfen

Churamani Murmu ist eine verheiratete Frau von 27 Jahren und lebt als Kleinbäuerin im Dorf Burudih im East Singhbhum Distrikt in Jharkhand. Sie entstammt einer Adivasi-Gemeinschaft. Zusammen mit ihrem Mann baut sie Reis und Gemüse an und ist neuerdings auch in die Geflügelzucht eingestiegen. 50% der Ernte werden vermarktet, den Rest behalten sie für den Eigenbedarf. Das zusätzliche Einkommen wird für Haushaltsausgaben gebraucht.
Neben der Landwirtschaft erledigt die 27-Jährige die Hausarbeiten und muss zum Kochen auch Feuerholz sammeln. Ein Wasserproblem hat die Familie allerdings nicht. Über Handpumpen holen sie sich ihr Trinkwasser und für die Landwirtschaft nutzen sie Stauwasser kleiner Dämme.
Bei Entscheidungen gibt es eine „Arbeitsteilung“ in der Familie. Churamani Murmus Mann ist zuständig für die Finanzen des Haushaltes, sie trifft alle anderen Entscheidungen, die das Familienmanagement, Medikamente, den Verkauf der Produkte, den Haushalt und die Kinder betreffen. „Aber wir beide treffen nie Entscheidungen, die wir nicht vorher mit dem anderen besprochen haben“, bekräftigt Churamani Murmu.

Befragt nach der größten Veränderung in ihrem Leben nennt sie das Wohlergehen ihrer heute 6-jährigen Tochter Paridhi, für die sie hart gekämpft hat. Als Baby war diese schwer mangelernährt. Sie wurde vom ASW-Partner CWS in ein Behandlungszentrum für Unterernährung (MTC) eingewiesen. „Ich wusste damals nichts über Ernährung und Unterernährung“, sagt die 27-Jährige. Erst nach einem Workshop des CWS zum Thema Ernährung habe sie die Zusammenhänge verstanden. „Ich habe hart daran gearbeitet, Paridhi die richtige Ernährung anzubieten, und jetzt ist sie gesund, glücklich und aktiv. Und auch in der Schule zeigt sie gute Leistungen.“
Churamani Murmu ist heute in einer Frauenselbsthilfegruppe in Burudih organisiert und setzt sich im Schulverwaltungsausschuss für bessere Lernbedingungen für die Kinder des Dorfes ein. In der Selbsthilfegruppe geht es ihr auch darum, mehr Einkommensmöglichkeiten für Frauen zu schaffen. Außerdem sensibilisiert sie Mütter für Unterernährung und ihre Folgen. „So wie ich meine Tochter aus der gefährlichen Falle gerettet habe, möchte ich erreichen, dass jede Mutter selbstbewusst wird und anfängt, dagegen zu kämpfen.
Für sich selbst wünscht sie sich noch mehr Kompetenzen. „Ich brauche eine Ausbildung in Gemeindemobilisierung, damit ich ein wirksames Massenbewusstsein gegen Unterernährung schaffen kann.“
 

Es braucht mehr Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten für Frauen

Pratima Maharana lebt im Slum von Bhubeneswar in Odisha und ist seit 2020 verwitwet. Sie ist 53 Jahre und hat eine 17-jährige Tochter und einen 15-jährigen Sohn. Sie arbeitet als Haushaltshilfe, macht Näharbeiten und verkauft selbst hergestellte Waschmittel.
Der Tod des Mannes vor zwei Jahren stürzte Pratima in eine schwere Krise. Der menschliche Verlust war traumatisch, aber auch wirtschaftlich war es der Absturz. Die Krebsbehandlung des Mannes hatte alle Ersparnisse gekostet und Pratima konnte aufgrund der Corona-Einschränkungen 2020 nur eingeschränkt arbeiten.
Auch die Kinder litten in dieser Zeit unter den Einschränkungen, denn sie konnten mangels Mobiltelefon und Internet nicht am Online-Schulunterricht teilnehmen.
Von der Regierung kam keine Hilfe. Bis heute hat Pratima ihre Witwenrente nicht erhalten, obwohl sie alle Dokumente eingereicht hat. Aktuell tut Pratima, wie sie sagt, alles in ihrer Macht Stehende, um ihre finanzielle Situation zu verbessern und ihre Familie zu unterstützen.
Immerhin ist sie als Frau nicht allein. Sie ist Mitglied einer Frauen-Selbsthilfegruppe sowie Mitglied einer Hausangestelltengewerkschaft. Sie bildet auch andere Frauen aus verschiedenen SHG-Gruppen in der Herstellung von verschiedenen Waschmitteln aus.

Befragt nach dem, was sich aus ihrer Sicht am dringendsten verändern muss, damit Frauen es leichter haben, richtet sie eine Bitte sowohl an die Regierung als auch an Nichtregierungsorganisationen: „Sorgen Sie dafür, dass Frauen bessere Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten finden.“