Sufistische Bruderschaften und Salafisten

Auch im Senegal kann Arbeitslosigkeit und Frust zu Radikalisierung führen

Auch im Senegal radikalisiert sich eine kleine Minderheit der sunnitischen Muslime . Die Gründe benennt der Islamforscher Dr. Bakary Sambe 2016 in einem Interview mit der Rosa Luxemburg-Stiftung Westafrika. Sambe lehrt und forscht an der Gaston Berger Universität in Saint-Louis im Senegal und ist Gründer der Beobachtungsstelle religiöse Radikalismen am Timbuktu Institute – Afrikanisches Zentrum für Friedensforschung in Dakar.

94 Prozent der Senegalesen sind sunnitische Moslems. Die große Mehrheit von ihnen folgt den Lehren der sufistischen Bruderschaften, die einen gemäßigten und gegen Gewalt ausgerichteten Islam pflegen. Salafistische und wahabitische Bewegungen, die seit einigen Jahren im Senegal Fuß fassen, betrachten genau diesen friedfertigen und mit lokalen afrikanischen Traditionen vermischten Islam als ihren Hauptgegner. Er gilt ihnen als unrein und mit den Dschihadismus nicht vereinbar. Dass Salafisten sogar bereit sind, den Beitrag des afrikanischen Sufi-Islam zur islamischen Zivilisation einfach auszulöschen, haben sie 2012 in Timbuktu/Mali gezeigt: Dort haben sie Moscheen aus Lehm, Mausoleen von Sufi-Heiligen und Bibliotheken zu Staub zerschlagen.

Arbeitslosigkeit und Frust erhöht die Wahrscheinlichkeit der Radikalisierung

Warum aber haben solche radikalen Bewegungen, die nur den Islam der „Altvorderen“ des 7. Jahrhunderts gelten lassen, im Senegal überhaupt eine Chance?

Für Bakary Sambe liegt ein wesentlicher Grund in der wachsenden Ungerechtigkeit der senegalesischen Gesellschaft, in Arbeitslosigkeit und Frustration der Jugend. Seit dem Niedergang linker Bewegungen wurde aus seiner Sicht der Islam zu einem Medium des Protests gegen die Globalisierung und ihre perversen Auswirkungen auf die Gesellschaften.

Staatliche Wohlfahrt zurückgefahren, islamische NGOs füllen die Lücke

Aber Bakary Sambe sieht Verantwortung auch direkt bei der internationalen Gemeinschaft. Auf Dürren, die den Sahel in den 1970er Jahren heimsuchten, habe diese nicht reagiert und das Feld den Ölmonarchien des Arabischen Golfs überlassen. Diese und nicht der Westen seien gekommen, um Wasserpumpen zu bauen und den Leuten zu helfen. „Und mit den Öldollars kam auch die wahabitische Ideologie“, so der Islamforscher.

Einen weiteren Fehler beging der Westen in den 1980er Jahren, als er zusammen mit IWF und Weltbank den afrikanischen Ländern Strukturanpassungsprogramme aufzwang. Die Staaten mussten ihre Ausgaben für soziale Sicherung, öffentliche Gesundheitsdienste und Bildung radikal zurückfahren. Was staatliche Institutionen nicht mehr leisten konnten, leisteten nun islamische NGOs, die kamen, um Wohlfahrtsdienste anzubieten und Schulen zu bauen.

Bislang sind die sufistischen Bruderschaften noch ein Bollwerk gegen die Radikalisierung

Bakary Sambe sieht nicht zuletzt auch die sufistischen Bruderschaften im Senegal in der Pflicht, die bislang noch als ideologisches Bollwerk gegen radikale Strömungen fungieren konnten. Wollen sie die Menschen und insbesondere die Jugend erreichen, müssen sie sich erneuern und neue Lehrmethoden für Sufismus entwickeln.

Der Diskurs der Salafisten ist aus Sicht des Islamforschers für die Jugend viel attraktiver. Sie äußern sich zu internationalen Zusammenhängen. Sie nutzen zeitgemäße Kommunikationskanäle wie Facebook. Imame verwenden Ipads und publizieren ihre Reden auf Youtube.

Dagegen wirke der Diskurs der Sufi-Bruderschaften altbacken und greife die Themen der Jugend nicht auf. Er selbst habe, so Sambe, das Timbuktu Institut gegründet, um einen Islam des Friedens und der gegenseitigen Verständigung zu fördern. Der Name sei dabei Programm, denn Timbuktu symbolisiert das afrikanische Erbe, das für Teilen, Dialog und Interaktion zwischen den Kulturen steht. Sufi-Prediger und Friedensfreunde sollten ihre Präsenz im Web erhöhen, um das Interesse der Jugend von den Salafisten wegzuziehen. Ansonsten sei für ihn, Sambe, das wirksamste Gegenmittel gegen Radikalisierung Investitionen in Bildung und mehr soziale und ökonomische Gerechtigkeit.

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