Burkina Faso - Putsche, Terror, Klimawandel und "aufrechte" Menschen

Burkina Faso erlangte 1960 seine Unabhängigkeit von Frankreich und hat seither zahlreiche Militärputsche, aber auch demokratische Machtwechsel erlebt. 2014 bewies die Bevölkerung des Landes großen Mut, als sie den Langzeitherrscher Blaise Compaoré durch einen Massenaufstand aus dem Amt jagte. Compaoré regierte seit 1987 und wird von vielen Burkinabè mit dem Mord an seinem früheren Weggefährten, dem Sozialreformer und Revolutionär Thomas Sankara in Verbindung gebracht. Dieser hatte das Land 1983, das bis dato noch den Kolonialnamen Haute-Volta (Obervolta) trug, in Burkina Faso, „Land der aufrechten Menschen“, umbenannt.


Demokratische Machtwechsel und Putsche

Ende November 2015 wurden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten, aus denen der Oppositionspolitiker Roch Marc Kaboré und seine Partei als Sieger hervorgingen. 2020 wurde Kaboré mit 58 % der Stimmen wiedergewählt. 2022 putschten ihn Offiziere aus dem Amt mit der Begründung, er hätte bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors versagt. September 2022 folgte ein zweiter Putsch durch Ibrahim Traoré, der bis heute einer „Übergangsregierung“ vorsteht.


Die Bedrohung durch islamistische Gruppen wächst

Aktuellen Schätzungen zufolge kontrolliert sein Regime nur noch 60 Prozent des Staatgebietes. Insbesondere im Norden und in Grenzgebieten zu Mali und Niger operieren islamistische Gruppen, die dem IS oder Al-Qaida nahestehen. Dazwischen sind auch lokale Milizen aktiv, die in manchen ländlichen Gebieten, wo das Militär keine Präsenz zeigt, für Sicherheit zu sorgen behaupten.
Ebenso sind Übergriffe der Armee auf Zivilisten belegt. Nach Angaben von Human Rights Watch soll die Armee im Februar 2024 zwei Dörfer angegriffen haben, denen sie eine Zusammenarbeit mit den Islamisten unterstellte. Dabei wurden 223 Zivilisten getötet, darunter zahlreiche Kinder.
Insgesamt verloren in dem Konflikt allein im ersten Halbjahr 2024 über 2.500 Zivilisten ihr Leben. Zu dem bislang schlimmsten Massaker kam es im August 2024, als Al-Qaida-nahe Kämpfer die Stadt Barsalogho angriffen. Sie töteten laut CNN rund 600 Menschen, die dabei waren, auf Anweisung der Armee einen Verteidigungsgraben auszuheben.


Vertreibung, Armut und Bildung

Die Folgen für das Land und für die Gesellschaft sind gravierend. Burkina Faso mit seinen 23 Millionen Einwohnern zählt bereits 2 Millionen Binnenvertriebene. Nach UN-Schätzungen werden 2024 6,3 Millionen humanitäre Hilfe benötigen, fast 3 Millionen leiden unter Hunger.

Der islamistische Terror hat auch Auswirkungen auf den Bildungsstand der Bevölkerung. Laut einer UNICEF-Studie erhalten rund 800.000 Mädchen und Jungen keinen Schulunterricht, weil etwa 5.300 staatliche Schulen vor allem im Norden und Osten geschlossen sind. Angesichts der Tatsache, dass Burkinas Bevölkerung sehr jung ist – 42 Prozent sind unter 14 Jahre, der Altersdurchschnitt ist 18 Jahre – ist das eine große Hypothek für die Zukunft des Landes. Aktuell liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 30 %.


Frauen und Mädchen

Bei den Frauenrechten ist die Lage in Burkina gemischt. 2009 verabschiedete die Regierung eine Nationale Genderpolitik (PNG) mit dem Ziel, Maßnahmen zur vermehrten Partizipation und Gleichstellung der Frauen anzustoßen und ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen. Außerdem gibt es schon seit langem Gesetze, die Genitalverstümmelung bei Frauen verbieten und ebenso die Verheiratung von Minderjährigen. Dennoch wird beides bis heute praktiziert, vor allem in den ländlichen Gebieten. Geschätzte 45 Prozent der Mädchen werden vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet.  

Bei der Alphabetisierung gibt es noch immer ein deutliches Geschlechtergefälle: Während nur rund 30 Prozent der erwachsenen Frauen lesen und schreiben können, sind es bei den Männern immerhin 40 Prozent. Allerdings fällt der Unterschied bei jüngeren Menschen geringer aus: 51,7% der jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren und 55,6 % der jungen Männer sind alphabetisiert.

Denn bei der Einschulung von Mädchen wurden Fortschritte erzielt. Wurden 2008 nur 72 % der Mädchen eingeschult, waren es 2018 immerhin schon 78 %. 2023 war die Zahl der Einschulungen dann wieder rückläufig und lag bei 74 % der Mädchen. Und besonders wenige blieben in der Schule. Folgt man Zahlen der Weltbank, brachten 2022 nur 36 Prozent aller Mädchen die Grundschule zu Ende. Zahlen der UNESCO zeichnen ein dramatisches Bild vom Rückgang der Einschulungsquote überhaupt, die 2023 nur noch (für Mädchen und Jungen zusammen) bei 72 Prozent liegen soll. Hier würde sich also direkt die Sicherheitskrise und die notwendige Schließung von Schulen im Norden niederschlagen.

Dass es für Frauen, vor allem im etwas sichereren Süden Burkina Fasos und in den Städten, auch neue Chancen gibt, ist vor allem der Arbeit von Frauen-NGOs und engagierten Frauennetzwerken zu verdanken. So ist z.B. die Zahl der berufstätigen bzw. erwerbsbeteiligten Frauen gestiegen. In der Region Gaoua  unterstützt die APFG Frauen dabei, sich über eigene Einkommen ein von den Männern unabhängigeres Leben aufzubauen. Sie werden auch dabei begleitet, sich in Genossenschaften zusammenzuschließen, damit sie ihre Produkte gemeinschaftlich besser vermarkten können. 

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Kleinbäuerliche Landwirtschaft und Baumwollfarmen

Etwa 80 % der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft, die jedoch stark von klimatischen Veränderungen betroffen ist. In vielen Regionen sind die Böden degradiert und es fehlt am Zugang zu Wasser. Kleinbäuerliche Betriebe produzieren unter schwierigen Bedingungen hauptsächlich Grundnahrungsmittel wie Hirse, Sorghum, Mais, Fonio oder Süßkartoffeln und Maniok.
Große Agrarbetriebe existieren in begrenzter Zahl und gehören häufig ausländischen Investoren; sie konzentrieren sich vor allem auf den Anbau von Baumwolle und anderen Exportgütern. 2020/21 hat Burkina Faso rund 185.000 Tonnen Baumwolle produziert, das meiste davon für den Export. In den Vorjahren lag die Produktion deutlich höher.

Wegen des Klimawandels haben viele Kleinbäuer:innen aufgegeben und sind in die Städte abgewandert. Burkina Faso deckt nur einen Teil seines Bedarfs an Grundnahrungsmitteln durch eigene Produktion ab, was zu einem hohen Importbedarf führt. Lebensmittel wurden 2022 laut Angaben der Weltbank vor allem aus der Elfenbeinküste, Brasilien, Frankreich, Belgien und der Türkei importiert.


Wirtschaft, Gold und sonstiger Bergbau

Die wichtigsten Wirtschaftssektoren in Burkina Faso sind die Landwirtschaft, der Bergbau (insbesondere Gold) und Dienstleistungen. Eine eigenständige Industrie, die signifikante Arbeitsplätze schafft, fehlt weitgehend. Das Land ist laut IWF nur „moderat“ verschuldet, 2023 betrug die öffentliche Verschuldung Burkina Fasos 61,9% des BIP

Die Hauptquellen für Devisen sind der Export von Gold, Zink und Baumwolle. Weitere agrarische Exportprodukte sind Ölsaaten (Sesam), Cashewnüsse und Mangos.

Der Rohstoffsektor, vor allem der Goldabbau, hat eine große Bedeutung für die Wirtschaft, jedoch profitiert nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Neben Gold spielen die Mineralien Zink, Kupfer, Mangan, Phosphat und Kalkstein eine Rolle.
Burkina Faso ist der viertgrößte Goldproduzent Afrikas. Es gibt derzeit 17 industrielle Goldminen im Land, sie werden von kanadischen, russischen, australischen, südafrikanischen und türkischen Firmen betrieben.

Bereits für 40 Prozent der Landesfläche hat der Burkinische Staat Explorations- und Abbaulizenzen vergeben, der Rohstoffsektor generierte 2022 15 % der Staatseinnahmen und trug mit 12% zum BNP bei. 80% der Exporterlöse bezieht Burkina aus dem Goldexport.

Die Interessen der Menschen, die in den Bergbaugebieten leben, vertritt unter anderem die Nichtregierungsorganisation ODJ. ODJ organisiert und vernetzt betroffene Menschen, damit diese ihre Rechte wahrnehmen und einen Ausgleich für Landverluste und Umweltschäden einfordern können. So gelingt es zumindest, auf lokaler Ebene, einen gerechteren Anteil an den Erlösen des Goldabbaus zu erstreiten. 

Mehr zum Goldabbau in Burkina


Austritt aus der ECOWAS und Abkehr von Frankreich

Die Übergangsregierung hat die Beziehung zu Frankreich weitestgehend beendet. Im Februar 2023 erzwang sie den Abzug französischer Spezialeinheiten und damit das Aus für die mehr als 20-jährige französische Militärpräsenz. Außerdem ist Burkina Faso –  zusammen mit Mali und Niger – aus der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten ECOWAS ausgetreten. Denn diese hatte Wirtschaftssanktionen gegen die drei von Putschisten regierten Staaten verhängt. Seitdem pflegt Traoré engere Beziehungen zu nicht-westlichen Partnern wie Russland oder der Türkei.

Diese politische Wende wurde anfangs von Teilen der Bevölkerung sogar unterstützt, weil diese unzufrieden mit der großen Abhängigkeit von Frankreich waren. Doch die Zustimmung zum Regime ist rückläufig, zumal sich Traoré an die Macht klammert.

Zu Beginn seiner Amtszeit 2022 hatte er versprochen, bis Juli 2024 Wahlen abzuhalten. Jetzt, nach dem Austritt aus ECOWAS verkündete er, weitere fünf Jahre an der Macht bleiben zu wollen.

Außerdem trauen ihm immer weniger Burkinabé zu, die gewaltigen Sicherheits- und Wirtschaftsprobleme des Landes in den Griff zu bekommen.


Gewalt gegen Medien und Andersdenkende

2023 und 2024 ging seine Militärregierung besonders hart gegen Medien, Andersdenkende und Kritiker des Militärs vor.
Kritische Nachrichtenportale und besonders französische Nachrichtensender wurden teilweise verboten, und Journalisten wurden ausgewiesen. Der unabhängige Radiosender „Radio Omega“ wurde suspendiert, weil dieser ein Interview mit Anhängern des gestürzten Präsidenten von Niger, Mohamed Bazoum, gesendet hatte. Auch der Sender Jeune Afrique, der kritisch über das Militär berichtet hatte, wurde geschlossen. Dadurch sind Angst und Selbstzensur bei den Medien gewachsen.

Burkina, das ehemalige Vorzeigeland für Pressefreiheit, belegt auf dem Ranking von Reporter ohne Grenzen 2024 nur noch einen Platz 87 von insgesamt 181 Ländern und fällt in die Kategorie „mit erkennbaren Problemen“. 2022 war es noch auf Platz 41 und die Lage galt als „zufriedenstellend“.

Die Regierung hat auch das Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt und Genehmigungen für öffentliche Versammlungen häufig verweigert. Bei Demonstrationen gegen die Regierung wurden Teilnehmer festgenommen und misshandelt.

Quellen des BMZ zufolge gab es auch Zwangsrekrutierungen von Kritikern in militärische Einheiten oder freiwillige Schutztruppen, was als eine Form der Bestrafung und Kontrolle angesehen wird

Trotz des starken Gegenwinds kämpft besonders unser Partner, Organisation Démocratique de la Jeunesse du Burkina (ODJ), unerbittlich weiter und erreicht z.B. durch die Organisierung und Mobilisierung junger Menschen, dass diese sich für Menschenrechte und z.B. gegen die Macht internationaler Goldabbau-Unternehmen positionieren.

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