Während die Welt auf die olympischen Spiele in Paris blickte, hat Emanuel Macron, seines Zeichen amtierender Präsident Frankreichs, einen Brief geschrieben. Empfänger des Briefes war der König von Marokko Mohammed VI. , der sich aktuell in seinem 25. Herrscherjubiläum befindet. Der Inhalt des Briefes: Macron teilt dem König mit, dass er den Vorschlag Marokkos zur Lösung der seit Jahrzehnten ungeklärten Westsaharafrage nun doch gut findet, der marokkanische Autonomieplan für das besetzte Gebiet sei „die einzige Basis“ für eine „dauerhafte und gerechte Lösung“. Diese Formulierung ist eine Anerkennung des marokkanischen Hoheitsanspruchs und genau die Formulierung, die der König erwartet, wenn jemand gute Beziehungen zu seinem Land haben möchte.
Der Friedensprozess der UNO fordert ein Referendum
Die Westsahara ist seit dem Rückzug der damaligen spanischen Kolonialmacht zum größten Teil von Marokko besetzt - völkerrechtswidrig, wie diverse internationale Erklärungen bestätigen. Lange Zeit herrschte Einigkeit, das der Status der Westsahara nur durch ein demokratisches Referendum der sahrauischen Bevölkerung geklärt werden kann. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinen Urteilen zur Ablehnung der zwischen EU und Marokko geschlossenen Handelsabkommen begründet, dass die Ausbeutung der Ressourcen der Westsahara nicht ohne die Zustimmung des sahrauischen Volkes geschehen darf. Über das Schicksal der Westsahara kann also nicht ohne Befragung der Bevölkerung entschieden werden - ein klares rechtliches und letztlich auch ein klares demokratisches Statement. Nun ist der marokkanische König natürlich kein „lupenreiner Demokrat“, und möchte das Volk nicht entscheiden lassen, denn vielleicht müsste er seine illegalen Besitztümer dann zurückgeben.
UN-Position erstmals von Trump infragegestellt
2020 fädelte der damalige US-Präsident Trump - ebensowenig ein lupenreiner Demokrat - einen seiner schmutzigen „Deals“ ein: Im Gegenzug zur Anerkennung Israels durch Marokko hat die USA den Hoheitsanspruch Marokkos über die Westsahara anerkannt. In den folgenden Jahren haben mehrere westliche Länder ihre Neutralität bzw. ihre Zustimmung zur Position der Vereinten Nationen geändert. Israel mit der offiziellen Anerkennung 2023, Spanien mit der Anerkennung von Marokkos Autonomieplan. Auch Deutschland hat die Tür für eine mögliche Anerkennung von marokkanischen Ansprüchen inzwischen weit aufgemacht. Und zuletzt folgte nun Frankreich mit Macrons deutlicher Absage an den eindeutigen völkerrechtlichen Status Quo.
Wirtschaft und Handel ohne Völkerrecht?
Vor dem Versand des Briefes hat sich Macron laut „Le Monde“ und „Süddeutscher Zeitung“ mit wichtigen Wirtschaftsführern Frankreichs getroffen, um das Vorgehen abzustimmen. Die beteiligten Unternehmen profitieren direkt oder indirekt von der völkerrechtswidrigen Ausbeutung der Westsahara. Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs und Europas in Marokko und die geostrategische Bedeutung Marokkos scheinen auch jetzt wieder wichtiger zu sein als die vielbeschworenen Werte des Völkerrechts und der Demokratie.
Der Brief Macrons und seiner Wirtschaftspartner kommt zu einer Zeit, wo alle, die mit der Westsahara zu tun haben, auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu den Handels- und Fischereiabkommen der EU mit Marokko warten. Die bisherigen EuGH-Urteile waren eindeutig und an den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen hat sich faktisch nichts verändert. Es bleibt zu hoffen, dass die EuGH-Richter:innen sich von solchen politischen Manövern und schmutzigen “Deals“ weiterhin nicht beeinflussen lassen. Die Menschen der Westsahara und die Solidaritätsgruppen in Europa werden die Urteilsverkündung kritisch begleiten und auf die Umsetzung des Völkerrechts gegenüber Marokko drängen. Mit dem Urteil des EuGH ist im Oktober zu rechnen.
Zu der Abkehr von westlichen Regierungen von einer völkerrechtlichen und demokratischen Lösung des Westsahara-Konfliktes hatte die ASW bereits im letzten Jahr eine Petition an die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock adressiert. Diese wurde von fast 15.000 Menschen unterschrieben. Hier unsere Pressemitteilung dazu.
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