Der Westsahara-Konflikt ist ein ungelöster Kolonialkonflikt. Alle Länder des Kontinents Afrika wurden bis spätestens 1975 (Ende des portugiesischen Kolonialregimes) von den europäischen Kolonialmächten unabhängig. Den Menschen der Westsahara wurde diese Unabhängigkeit vorenthalten. Spanien überließ im November 1975 nach Francos Tod die bis dahin von ihm verwaltete „Spanische Sahara“ den Maghrebstaaten Marokko und Mauretanien. Marokko hält den größten Teil der Westsahara bis heute besetzt.
Wofür kämpft die Befreiungsbewegung POLISARIO?
Bereits 1992 verspricht die UNO den Sahrauis ein Referendum
Wo leben die Sahrauis (Sahraouis) heute?
Phosphate, Fisch und Wind – die begehrten Rohstoffe der Westsahara
Die wirtschaftliche Ausbeutung der Westsahara vor dem Europäischen Gerichtshof, EuGH
Saubere Windkraft aus der Westsahara?
Die deutsche Außenpolitik zur Westsahara auf Schlingerkurs
Auch Frankreich geht auf Marokko zu
Zur Situation der Frauen in der Westsahara
Aufklärung zu Landminen - Neues ASW-Projekt in der Westsahara
Nach dem Rückzug Spaniens 1975 untermauerte Marokkos König Hassan II seine Ansprüche auf die Westsahara mit Waffengewalt und mit dem sogenannten Grünen Marsch (November 1975), bei dem er über 300.000 marokkanische Siedler:innen in die Westsahara schickte. Doch die der staatlichen Unabhängigkeit verpflichtete Befreiungsbewegung der Sahrauis, die POLISARIO (Frente Popular de Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro; 1973 gegründet) nahm den bewaffneten Kampf gegen Marokko und Mauretanien (das sich 1979 zurückzog) auf. Als Marokko Ende 1975 mehrere sahrauische Orte bombardierte, flüchteten zehntausende Sahrauis nach Norden. Nahe dem algerischen Tindouf entstanden die fünf großen Flüchtingscamps, die bis heute von rund 165.000 Sahrauis bewohnt werden.
Der Krieg zwischen der POLISARIO und Marokko dauerte über 15 Jahre. Nach einem 1991 von der UNO ausgehandelten Waffenstillstand zwischen beiden Seiten sollten die Menschen per Referendum über ihre Zukunft entscheiden. Für dessen Durchführung gründete die UNO die MINURSO (Mission des Nations Unies pour l’organisation d’un référendum au Sahara occidental). Doch Marokko blockierte die Abstimmung und verweigert den Sahrauis bis heute ihre vom Völkerrecht garantierte Selbstbestimmung. Seit einer Verletzung der Waffenstillstandsvereinbarungen durch Marokko im Herbst 2020 herrscht zwischen der POLISARIO und Marokko wieder Krieg.
Die Sahrauis (Sahraouis) – Menschen der Westsahara – sind seit 1975 unfreiwillig in verschiedene Gruppen aufgespalten: Etwa die Hälfte der insgesamt 400.000 Menschen lebt in dem von Marokko besetzten Küstenstreifen zwischen der marokkanischen Südgrenze und Mauretanien. Willkürliche Verhaftungen, Folter und sexuelle Gewalt gegen Sahrauis sind dort an der Tagesordnung.
Weitere rund 20.000 sind in einem befreiten, von der POLISARIO verwalteten Gebiet zuhause, gegen das Marokko einen verminten Sandwall, gleich einer Mauer, errichtet hat.
Eine weitere knappe Hälfte, 165.000 Menschen, wartet in den vor 49 Jahren errichteten Flüchtlingslagern auf algerischem Territorium auf bessere Zeiten. Und eine nur schwer schätzbare Zahl von Sahrauis lebt über die Welt verstreut im Exil. Zur Lage in den Flüchtlingscamps
Die ASW fördert in den Flüchtlingscamps ein Gartenprojekt, das Frauen in Gartengruppen zusammenbringt und zudem zu einer nährstoffreicheren Ernährung der Menschen beiträgt. Zum Gartenprojekt
Video zum Gartenprojekt
Die Westsahara verfügt über reiche Rohstoffvorkommen, zum Beispiel Phosphate. Die Gewässer vor der Küste sind extrem fischreich. Unter ihnen lagern Erdgas und Erdöl. Vermehrt nutzt Marokko die wind- und sonnenreichen Landflächen der besetzten Gebiete auch für die Produktion von Wind- und Solarenergie. Dieser Ressourcenreichtum ist mit ein Grund, warum Marokko nicht gewillt ist, seine Ansprüche auf die Westsahara aufzugeben.
Gegen die ökonomische Ausbeutung der Westsahara durch Marokko und europäische Unternehmen sowie entsprechende zwischenstaatliche Handelsabkommen reichte die POLISARIO 2014 erstmals Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein. Und bekam zweimal Recht, zuletzt 2021. Marokko beutet die Reichtümer des Landes aus, ohne die Zustimmung des Volkes der Westsahara durch ihre legitime Vertretung POLISARIO eingeholt zu haben. Das verstößt gegen das Völkerrecht, so die Richter in Luxemburg. Daher sind Europas Handels- und Fischereiabkommen mit Marokko nicht rechtens.
Doch die EU-Kommission und der Rat sind gegen das Urteil des EuGH von 2021 in Revision gegangen und warten nun, zusammen mit Marokko, auf die Bekanntgabe des neuen Urteils, mit dem noch im Herbst 2024 zu rechnen ist.
Unterdessen fahren sie fort, ihre Beziehungen zu Marokko auszubauen. Denn der Staat am Rande der Sahara ist zu einem der wichtigsten Partner Europas bei der Migrationskontrolle aufgestiegen. Allein 2023 soll er fast 90.000 Migrant:innen an seiner Westküste von der Weiterreise Richtung EU abgehalten haben.
Außerdem liefert er für Europa wichtige "Zutaten" für die Endergiewende
Im Zuge seiner mit der EU abgestimmten Verschärfung des Asylrechts im Dezember 2023 hat Deutschland mit Marokko einen sog. Migrationspakt geschlossen. Marokko verpflichtet sich weiterhin auf die Eindämmung „irregulärer“ Migration sowie, als „sicheres Herkunftsland“, auf die Rücknahme eigener Staatsangehöriger, die in Deutschland nicht gewollt sind. Fachkräfte dagegen sollen kommen.
Durch solche Abkommen binden sich die EU-Länder immer enger an den Maghrebstaat.
In der Vergangenheit hat dieser die Migrationsfrage auch als Druckmittel eingesetzt. 2022, als er sich in einer Krise mit Spanien befand, ließ er Migrant:innen in die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla eindringen. In der Folge gab Spanien klein bei und öffnete sich für Marokkos Lösungsvorschläge für den Westsahara-Konflikt. Kürzlich hat auch Frankreich diesen Schritt getan.
2022 hat die EU-Kommission mit Marokko eine „grüne Partnerschaft“ geschlossen. Sie steht im Rahmen des Green Deals der EU, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Dazu braucht diese Länder wie Marokko, die über genügend Landflächen, Sonne und Wind verfügen, um die knappen Güter Ökostrom und Grünen Wasserstoff für die Energiewende beisteuern können.
Besonders bei der Windkraft hat sich der Maghrebstaat ehrgeizige Ziele gesetzt. Im Rahmen seines „Integrated Wind Energy Project“ entstehen zahlreiche Windparks, einige sind schon in Betrieb. Planung, Bau und Betrieb obliegen dem mit der Siemens-Tochter Siemens Gamesa verbundenen Konsortium Nareva Holding - Enel Green Power, wobei das marokkanische Windenergie-Unternehmen Nareva dem König gehört.
Problematisch sind dabei die Standorte Foum El Oued (bei Laayoune, seit 2013 in Betrieb) und der Aftissat-Windpark (seit 2018 in Betrieb) südlich von Boujdour, beide Teil der besetzten Westsahara. Der Foum El Oued-Park versorgt zudem Marokkos staatliches Phosphat-Konglomerat, das Phosphat der Westsahara ausbeutet, mit grünem Strom (https://saharawind.com/de/sahara-windparks).
Laut Angaben der Nichtregierungsorganisation Western Sahara Resource Watch (WSRW) könnten bis zum Jahr 2030 bereits fast 50 Prozent der gesamten marokkanischen Windkapazität aus der besetzten Westsahara kommen. https://wsrw.org/de/nachrichten/das-schmutzige-geschaft-mit-gruner-energie-auf-besetztem-territorium
Deutschlands Position zur Westsahara ist zumindest widersprüchlich. Als EU-Land profitierte Deutschland in der Vergangenheit von Handels- und Fischereiabkommen mit Marokko, die die besetzten Gebiete der Westsahara miteinbezogen.
Diplomatisch hat sich Deutschland dagegen immer zum Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis bekannt, das ein Referendum über die staatliche Zukunft beinhaltet. Auch als die USA (als erstes westliches Land) unter Donald Trump Ende 2020 Marokko die Souveränität über die Westsahara zuerkannten, wollte Deutschland nicht mitziehen.
Doch seit dem Amtsantritt der grünen Außenministerin Annalena Baerbock 2022 sind aus dem Auswärtigen Amt erstmals Marokko-freundlichere Töne zu hören. Die Ministerin deutete zumindest an, dass eine von Marokko ins Spiel gebrachte begrenzte Autonomie für die Westsahara eine Alternative zum UN-Friedensprozess sein könnte. Spanien, das sich in der Westsaharafrage immer neutral verhalten hatte, hat sich 2022 unter Pedro Sanchez noch klarer an die Seite Marokkos gestellt und Marokkos Autonomievorschlag zur „realistischsten und glaubwürdigsten Basis" für eine Lösung des Konflikts aufgewertet.
Mehr dazu von der deutschen Vertreterin der POLISARIO Nadjat Hamdi im Interview
ASW-Appell zur Westsahara an das Außenministerium übergeben (Oktober 2023)
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