Frauenrechte in Togo


Fortschritte bei der Garantie der Frauenrechte - Interview mit Hawa Saibou, Projektleiterin bei OPED


Könntest du kurz die Entwicklungen in deinem Land in Bezug auf die Frauenrechte umreißen?

Auf der Ebene von Gesetzen, politischer Strategien sowie des Aufbaus von Institutionen gibt es klare Fortschritte, die das Engagement des togoischen Staates für die Stärkung der Frauen deutlich machen. Ein neues Gesetz zum Bodenrecht von 2018 garantiert Frauen den gleichen Zugang zu Grundeigentum wie Männern. Seit einer Reform des Strafgesetzbuches 2015 steht Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen unter Strafe. Das 2012 und 2014 geänderte Familiengesetzbuch stärkt die Rechte der Frauen in Bezug auf Heirat, Haushaltsführung, Erbschaft und die Rechtsfähigkeit der Frau. Vor allem hat die Regierung sehr zu gleichen Chancen bei der Bildung beigetragen. Im Jahr 2006 machte die Regierung die öffentliche Grundschulbildung für alle zur Pflicht, was dazu führte, dass der Anteil der Mädchen, die eine Grundschule besuchen, seither erheblich gestiegen ist. Im Schuljahr 2017- 2018 hat der Anteil der Mädchen sogar den der Jungen überholt.
86,4% der Mädchen schließen die Grundschule ab (Weltbankgruppe, 2022). 2011 waren es 71,6% (IDISA, 2017 ).
In der Sekundarstufe ist jedoch ein Rückgang der Mädchen um 5-6% zu verzeichnen. An der Hochschulbildung ist der Anteil der Frauen gering.

Wie war die Entwicklung beim Erbrecht und Landbesitz von Frauen?

Gewohnheitsrechtliche Praktiken in Togo haben Frauen lange Zeit von der Landvererbung ausgeschlossen. In jüngerer Zeit, im Jahr 2014, wurden überlebenden Ehepartner:innen unabhängig vom Geschlecht Erbschaftsrechte eingeräumt. Seit 2015 ist es möglich, gegen Personen vorzugehen, die die Landvererbung von Frauen behindern. Im Jahr 2018 wurde, wie eben erwähnt, das Landund Domänengesetz überarbeitet, so dass es Männern und Frauen heute gleiche Rechte in Bezug auf Landrechte einräumt. Es geht sogar so weit zu erklären, dass, wenn Gewohnheitsrecht anerkannt wird, es Männer oder Frauen nicht diskriminieren darf (Art. 628). Dass in diesen Bestimmungen das Recht der Frau auf Eigentum so ausdrücklich anerkannt wird, schlägt sich aber aufgrund mangelnder Sensibilisierung, Information und rechtlicher Unterstützung der Frauen nicht ausreichend in der Praxis nieder.

Hier bleibt also noch viel zu tun, gerade auch für Togos NGOs. Wie weit haben denn diese, neben den Regierungsprogrammen, zu den bisherigen Verbesserungen für die Frauen beigetragen?

Verbesserungen im Bildungsbereich sind auch NGOs zu verdanken, die Advocacy-, Sensibilisierungs-, Informations- und Schulungsmaßnahmen durchführten und Freiwillige einsetzten, die in den Dörfern Alphabetisierungskurse für Erwachsene durchführten. Dazu hat der Staat in den letzten Jahren ein politisches und rechtliches Umfeld geschaffen, das die Maßnahmen der Zivilgesellschaft und anderer Akteure zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Land erleichtert hat. Bei der Reform des Personen- und Familiengesetzes bezog die Regierung die Organisationen der weiblichen Zivilgesellschaft, die für die Rechte der Frauen kämpfen, aktiv mit ein.

Wie ist das Ausmaß der geschlechtsspezifischen Gewalt in Togo und was wurde für die Frauen getan?

 

Laut einer aktuellen Studie ist geschlechtsspezifische Gewalt in Togo weit verbreitet. Nach Angaben des Ministeriums für Frauen und Gender haben 63% der Mädchen im Alter von 9 bis 19 Jahren Gewalt erfahren. Die Zahlen von UN Women zur geschlechtsspezifischen Gewalt in Togo lauten: Körperliche und/oder sexuelle Gewalt zwischen Intimpartnern im Laufe des Lebens: 25,1%, Kinderheirat: 21,8% und weibliche Genitalverstümmelung 4,7%. Die Regierung hat mehrere Maßnahmen gegen die Gewalt gegen Frauen ergriffen. Seit 2016 gibt es eine Kampagne zur Bekämpfung der sexuellen Gewalt, an der sich Zielgruppen aus verschiedenen Gemeinschaften, Männerkomitees und Mütterclubs, religiösen und traditionellen Führern, Studierenden und Geflüchteten beteiligen. Außerdem wurde 2015 ein Gesetz zur sexuellen Belästigung verabschiedet, das sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt als separate Straftaten behandelt und angemessene Strafen vorsieht. Seit 2013 hat Togo außerdem Beratungsstellen für Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt eingerichtet und Frauenhäuser gebaut.

 

Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Frauen in deinem Land aus?

 

Ernährungsunsicherheit, Schwierigkeiten beim Zugang zu produktiven Ressourcen und zu Trinkwasser, sinkende Erträge landwirtschaftlicher Produkte und unzureichende technische Fähigkeiten, um den Folgen

 

des Klimawandels zu begegnen, mit all dem haben wir hier in Togo zu tun. Und von diesen negativen Auswirkungen des Klimawandels sind Frauen besonders betroffen. Wie wirken sich die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auf die Frauen in deinem Land aus? Die Covid 19-Pandemie führte zu einer Einkommenslücke und einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation von Frauen, da die Einkommen der Frauen, die überwiegend im informellen Sektor arbeiten, sanken und die häusliche Gewalt zunahm.

 

Das Interview führte unsere Themen-AG im November 2022

*Die Organisation für nachhaltige Entwicklung OPED, Organisation pour l’Environnement et le développement Durable, wird seit 2019 von der ASW unterstützt.

 

 

Arm, machtlos und der Früchte ihrer Arbeit beraubt:


Das Frauennetzwerk REFED/S Togo zur Situation der Frauen in der Savannenregion


Die Savannenregion* in Togo ist die ärmste Region des Landes und grenzt im Norden an Burkina Faso und im Westen an Ghana. Die Region wird immer wieder von dschihadistischen Angriffen heimgesucht, bei denen viele Menschen ihr Leben verlieren.

Die Frauen in der Savannenregion sind mehrheitlich arm, Analphabetinnen und kennen ihre Rechte nicht. Die ländliche Gesellschaft legt sie auf die häusliche und reproduktive Rolle fest. Sie haben kein Recht auf Mitsprache in der Gemeinschaft und sind daher in ihrem Handeln eingeschränkt. Auch innerhalb der Familie sind sie machtlos. Sie leisten auf den Feldern zwar harte Arbeit. Doch wenn die Ernte eingebracht wird, nimmt der Mann alle Produkte und Einnahmen an sich. Kinder und Frauen bleiben wirtschaftlich von ihm abhängig. Viele Männer verbieten ihren Frauen sogar, einkommensschaffende Tätigkeiten auszuüben, um sie noch mehr ans Haus zu binden. Das führt auch regelmäßig zu häuslicher Gewalt.

Andere Gewaltakte gegen Frauen sind Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und Vergewaltigung – aber auch das Vorenthalten von Bildungschancen, indem sie von der Schule genommen und bereits im Kindesalter verheiratet werden. In den letzten drei Jahren gab es auch Fälle von Vergewaltigung minderjähriger Mädchen. Das Frauennetzwerk REFED und die staatliche Regionaldirektion für Soziales, Frauenförderung und Alphabetisierung sammeln Fallbeispiele. So kam etwa am 24. August 2021 in Cinkassé eine junge Frau durch die Schläge ihres Mannes ums Leben. Eine andere Frau erhängte sich auf dem Rückweg von ihrem Elternhaus, in das sie nach einem Streit mit ihrem Mann geflüchtet war.
Trotz staatlichen Verbots ist Genitalverstümmelung keine Vergangenheit. Junge Mädchen werden immer noch heimlich beschnitten, obwohl diese Praxis in Togo verboten ist. Die Eltern organisieren sich in den Familien, lassen Beschneiderinnen aus Burkina Faso oder Ghana kommen oder fahren mit den Mädchen zu diesen Frauen. Einige Mädchen tragen schwere Infektionen oder Langzeitfolgen davon, andere verlieren ihr Leben. Ein Fall ereignete sich im Jahr 2020 im Kanton Timbou (Cinkassé), wo ein Mädchen an den Folgen der Beschneidung starb. Die derzeitige Praxis besteht darin, Mädchen schon im Kleinkindalter zu beschneiden, um kein Aufsehen durch schreiende oder sich mitteilende Mädchen zu erregen.


Kleine Hoffnungsschimmer

Das Frauennetzwerk REFED/S versucht an dieser Lage peu à peu etwas zu verändern. Es sensibilisiert die Bevölkerung für die Frauenrechte und für friedliche Konfliktbewältigung. Frauen werden in Workshops mit anderen Frauen dazu ermutigt, erlittene Gewalt durch den Ehemann oder außerhalb des Hauses auch anzuzeigen. Frauen, die sich mehr zutrauen, sind schließlich auch davon überzeugt, dass sie es sind, die ihren Kindern moralische Werte vermitteln. Die Söhne sollen später als erwachsene Männer gewaltfrei und mit Verantwortungsbewusstsein handeln, um positive Beziehungen in den Gemeinden aufzubauen und so auch zum Frieden in der Savannenregion beitragen.

*Die Grenzen zwischen Togo, Benin, Burkina Faso und Ghana sind relativ durchlässig und lassen es zu, dass die Menschen beidseits der Grenzen durch Bräuche und Kultur verbunden bleiben und eine Gemeinschaft bilden. Das ist ein Grundstein für den Prozess der subregionalen Integration. Allerdings führt diese Durchlässigkeit auch zu den genannten sicherheitspolitischen Problemen.

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