Brasilien

Rohstoffboom, Abholzungen, Klimawandel und wehrhafte indigene Gemeinschaften

Brasilien ist ein großer Flächenstaat mit großen regionalen Unterschieden, verschiedenen Klimazonen und einer immensen Kluft zwischen Arm und Reich sowie zwischen Stadt und Land.

Die Urbanisierung ist weit fortgeschritten: 87 Prozent der derzeit 219 Millionen Brasilianer:innen leben in den Städten. Doch auch die Millionenstädte und sonstigen Großstädte weisen große Wohlstandsunterschiede auf. Verarmte oder vertriebene Menschen vom Land landen meist in den Favelas, den Armenvierteln.

Die ASW und ihre brasilianischen Partnerorganisationen fokussieren ihre Projektarbeit stark auf die ländlichen Regionen von Brasiliens Norden und besonders auf die Bundesstaaten Amazoniens. Dort finden derzeit große Umbrüche statt, die die dort lebenden Menschen, die Biodiversität und die letzten Regenwälder bedrohen.
Besuch unserer Brasilienreferentin bei den indigenen Kumaruara


Der Angriff auf den Tropenwald im Amazonas-Gebiet und der Klimawandel

Aufgrund seiner wertvollen Tropenhölzer und seines Rohstoffreichtums wird Amazonien immer weiter durch große Infrastrukturprojekte wie Häfen, Wasserkraftwerke, Autobahnen und Bahntrassen erschlossen. Rohstoffunternehmen, die Agrarindustrie und legale wie illegale Holzfäller dringen in immer entlegenere Gegenden vor. Zwar sind unter der neuen brasilianischen Umweltministerin Marina Silva die Abholzungsraten für Amazonien gesunken – aber 2023 waren dafür die Auswirkungen des Klimawandels stärker als in den Vorjahren zu spüren. Amazonien – eine der wichtigsten grünen Lungen unserer Welt – wird seiner Aufgabe, große Mengen von freigesetztem CO2 zu neutralisieren, bald nicht mehr nachkommen können. Mehr zu Amazonien und Klimawandel 2023


Mit dem Cerrado stirbt der Regenwald

Den etwas geringeren Abholzungsraten im Amazonasgebiet steht die beschleunigte Zerstörung der Savannenregion des Cerrado gegenüber. Deren Buschwälder verzeichneten im Zeitraum von 2022 bis 2023 eine Abholzungszunahme von 16 %. Allein zwischen Januar und Mai 2023 wurden dort 3.320 km2 Waldfläche abgeholzt. Das entspricht fast der doppelten Fläche der Stadt São Paulo.

Im Cerrado wehren sich traditionelle Landnutzerinnen gegen Landraub. Und sowohl die Wissenschaft wie Umweltschützer:innen wissen um die Bedeutung der Wasserspeicher unter der Savanne auch für den Regenwald des angrenzenden Amazonasgebietes.
Der Cerrado als zweitgrößtes Ökosystem Brasiliens erstreckt sich südwestlich des Amazonasregenwaldes vom Bundesstaat Paraná bis Maranhão. Seine Artenvielfalt ist einmalig. Auf den sauren und ausgewaschenen Böden wachsen Bäume und Palmen wie Bacuri, Pequi und Babaçu. Sein Wasser ist die Wiege des Amazonas. Doch der Cerrado ist in seiner Existenz bedroht, und mit ihm alle Menschen die dort leben: Kleinbäuer:innen, Indigene, Quilombolas und genossenschaftliche Waldnutzer:innen.


Soja- und Eukalyptusmonokulturen für Agrarexporte

Die brasilianische Regierung fördert nach wie vor die massive agrarindustrielle Ausbeutung des Cerrado. Mit dem landwirtschaftlichen Entwicklungsplan „MATOPIBA“ sind die Voraussetzungen geschaffen, dass große Agrarunternehmen aus verschiedenen Bereichen (Soja, Eukalyptus, Viehzucht) das Land im Cerrado nutzen können, um großflächige Monokulturen anzubauen und Viehzucht zu betreiben, oft für den weltweiten Export. Dies geht gleichzeitig mit einer immensen Technisierung der Landwirtschaft einher und eklatanten Menschenrechtsverletzungen.

Kleinbäuer:innen, Indigene und Angehörige der Qilombolagemeinden werden enteignet, bedroht und mit Gewalt vertrieben. Während die Abholzungsraten im Amazonas unter der neuen Lula Regierung bereits zurückgegangen sind, wachsen sie im Cerrado umso schneller. Die Auswirkungen der Störung des Wasserhaushaltes, von Umweltverschmutzungen durch Pestizide und des Klimawandels werden auch in dieser Region spürbarer. 


Indigene und traditionelle Gemeinschaften Brasiliens am stärksten betroffen

Die Rechnung bezahlen die zahlreichen indigenen und traditionellen Bevölkerungsgruppen, die mit ihren Wäldern und ihrem Land ihre Lebensgrundlage verlieren. Obwohl indigene Territorien von Brasiliens Gesetzen geschützt sind, schreitet der Landraub fort. Nur gut organisierte indigene Gruppen wie z.B. die Munduruku oder organisierte Quilombo-Bewohner:innen haben eine Chance, sich zu wehren und sowohl politisch wie juristisch um ihre garantierten Landrechte zu kämpfen. Sie dabei zu unterstützen ist ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt der ASW.