Seit 2023 hat die EU ein Abkommen mit Tunesien geschlossen. Es soll dazu führen, dass die Fluchtroute von Tunesien in Richtung Italien möglichst unterbunden wird. Neueste Zahlen bestätigen einen Rückgang der ablegenden Boote und der Zahl von Geflüchteten, die den Weg nach Italien aufgenommen haben. Ein Erfolg für das weit nach rechts gerückte politische Europa? Was ist der Preis dafür?
Das Abkommen mit dem zunehmend autoritär und rassistisch regierenden Präsidenten Kais Saied ist äußerst fragwürdig. So gab es bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Migrationsdeals unter Federführung der EU- Kommissionspräsidentin von der Leyen, der neofaschistischen italienischen Regierungschefin Meloni und des inzwischen zum NATO-Generalsekretär aufgestiegenen Niederländers Mark Rutte klare Hinweise auf menschenrechtswidrige und demokratiefeindliche Entwicklungen in dem nordafrikanischen Land.
Mit dem EU- Deal wurde Kais Saied scheinbar darin bestärkt, die Opposition im Lande weiter zu unterdrücken. Zivilgesellschaftliche Gruppen besonders aus den Bereichen Menschenrechte und Migration würden systematisch verfolgt und ausgeschaltet. Ebenso die politische Opposition. Kais Saied trat bei den Wahlen vom 6. November ohne ernstzunehmende Gegenkandidaten an und gewann die Wahlfarce haushoch. Europäische Werte? Fehlanzeige.
Für Migrationsabwehr auch Vergewaltigungen erlaubt?
Berichte über Misshandlungen von Geflüchteten aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara sowie deren Aussetzung mitten in der Wüste gibt es schon länger. Ein investigativer Bericht des Guardian zeigte kürzlich das Ausmaß dieser Misshandlungen auf. Besonders schockierend dabei sind die Berichte über die massenhafte Vergewaltigung von geflüchteten afrikanischen Frauen. Der Bericht weist nach, dass hier besonders mit EU-Geldern finanzierte Sicherheitskräfte involviert sind. Neun von Zehn Frauen auf der Flucht aus ihren afrikanischen Ursprungsländern erleiden sexuelle Gewalt. Europäische Werte, feministische Außen- und Entwicklungspolitik? Fehlanzeige.
Erschreckend ist, dass es kaum noch einen „Aufstand der Anständigen“ zu diesen skandalösen Folgen der Migrationspakte mit Diktatoren auf den Fluchtrouten gibt. Vielleicht bleibt die Hoffnung, dass Gerichte wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesem menschenverachtenden Treiben zahlreicher europäischen Politiker:innen zumindest punktuell Grenzen setzen. Die Massenvergewaltigung der geflüchteten Frauen könnte hier ein Ansatzpunkt sein, wenn europäische Gelder direkte Beihilfe dazu leisten.
Der Ausverkauf von Menschenrechten und die Erpressbarkeit durch Autokraten stehen letztlich in keinem Verhältnis zu dem vermeintlichen Erfolg der „Migrationsabwehr“. Die sogenannte „irreguläre“ Migration wird dann aufhören, wenn die Ursachen für Migration beseitigt sind - Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit zählen historisch dazu. „Fluchtursachen bekämpfen“, aber an den wirklich entscheidenden Punkten, wäre das Gebot der Stunde, damit in unserer Welt eine solidarische und menschenwürdige Zukunft gedeihen kann.
Von Tobias Zollenkopf
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