Klimawandel und Migration im Senegal

Seit einigen Jahren schon wird über den Zusammenhang von Klimawandel und Migration debattiert. Und obgleich eine rechtliche Anerkennung von Klimawandel als Fluchtursache aussteht, wird doch deutlich, dass das Thema komplex ist. Die Folgen des Klimawandels sind meist nur einer von mehreren Faktoren, die Menschen zum Gehen bewegen. Je stärker die Menschen von der Landwirtschaft abhängen, desto wichtiger allerdings wird dieser Faktor.

Der Senegal liegt in einer besonders anfälligen Region südlich der Sahara und bekommt schon jetzt die Folgen des Klimawandels stark zu spüren. Er verfügt über 700 km Atlantikküste und erstreckt sich über sechs verschiedene ökologische Zonen. Das Klima ist tropisch mit sich abwechselnden Trocken- und kurzen Regenzeiten. Die Niederschlagsverteilung ist sowohl räumlich als auch zeitlich sehr ungleichmäßig.


Tradition der zirkulären Migration

Bisher gibt es wenig belastbare Zahlen zum Thema Klimawandel und Migration. Die verschiedenen Definitionen von Migration und die Diskussion um die Frage, ob von „Klimamigrant:innen“ oder eher „Klimageflüchteten“ geredet werden sollte, ist an unterschiedliche (politische) Kontexte geknüpft. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob westlich geprägt Migrationstheorien überhaupt westafrikanische Phänomene erklären können und wie stark sie regionsspezifische Charakteristika vernachlässigen.

Der Senegal hat beispielsweise eine lange Tradition von zirkulärer Migration bzw „translokalen Haushalten“. Dabei ist vor allem die saisonale Migration ländlicher Arbeitskräfte eng verknüpft mit der Trockenzeit. Das Klima hat also schon seit Jahrhunderten einen Einfluss auf Migration im Senegal und ist kein neuer Faktor. Es migrieren vor allem viele junge Menschen, meist Männer, um Arbeit zu finden.


Der Klimawandel verstärkt bestehende „Verwundbarkeiten“

Nichtsdestotrotz wird der aktuelle Klimawandel durch seine Auswirkungen auf die Umwelt die verwundbare Situation ländlicher Gemeinschaften verschärfen. Dies sind vor allem die Zunahme von Naturkatastrophen wie Trockenheit und Überschwemmungen, eine Veränderung des Niederschlagsystems, der Anstieg der Temperaturen sowie des Meeresspiegels.

All diese Faktoren verringern die landwirtschaftliche Produktivität und gefährden die Ernährungssicherheit im Senegal, dessen Ökonomie wenig diversifiziert ist.

Dabei werden die beschriebenen Veränderungen die ärmeren gruppen der ländlichen Bevölkerung besonders hart treffen, zumal diese auch kaum Zugang zu Krediten, zu Bildung und einer stabilen Gesundheitsversorgung haben.

Doch neben der Landwirtschaft sind auch andere Sektoren der Ökonomie vom Klimawandel betroffen. Überschwemmungen zerstören Infrastruktur und treffen so den Transport, den Handel und den Tourismus an den Küsten. Auch die Gesundheit der Bevölkerung leidet, da Überschwemmungen und daraus resultierende stehende Gewässer zur Entstehung von Krankheiten und Epidemien beitragen können.


Handlungsmöglichkeiten angesichts des Klimawandels

Doch welche Maßnahmen können greifen, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen? Gerade die Politik müsste in vielerlei Hinsicht Initiative ergreifen und strukturelle Investitionen tätigen, um eine Widerstandsfähigkeit vor allem besonders bedrohter Gemeinden gegen den Klimawandel zu erreichen. Doch solche Strategien fehlen im Senegal weitgehend.

Somit bleiben den Menschen familiäre bzw. gemeinschaftliche Strategien. Tatsächlich ist Migration nur eine Möglichkeit von vielen, um auf den Klimawandel zu reagieren. Letztlich spielen auch verschiedene Faktoren wie Bildung, Religion, das Geschlecht und nicht zuletzt die Möglichkeit, die Migration auch zu finanzieren, eine Rolle. Ein Blick auf Migration durch Klimawandel sollte auch immer die subjektiven Wahrnehmungen der Betroffenen und ihre Handlungsmacht einbeziehen.

Dass Menschen im Senegal als Reaktion auf die Folgen des Klimawandels migrieren, gilt allerdings als weitgehend gesichert. Schon nach den Dürren in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war dies zu beobachten. Zusätzlich zu Aspekten wie der Suche nach besseren Perspektiven spielt dabei auch eine Rolle, dass eine emigrierte Person eine Entlastung für den Haushalt darstellt, da sie nicht länger versorgt werden muss.


Migrant:innen als Agent:innen des Wandels

Jedoch ist die teilweise verbreitete Ansicht, das Verlassen der heimatlichen Region bedeute gleichermaßen einen Bruch mit der Herkunftsgesellschaft, ein Irrtum. Die Migrant:innen werden vielmehr zu „Agent:innen des Wandels“: Durch den Transfer von Geld, Technologie, Wissen und Unterstützung tragen sie letztlich dazu bei, die Widerstandfähigkeit ihrer Herkunftsgesellschaft gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu steigern.


Welche Zukunft hat in dieser Situation die Landwirtschaft?

Die ASW-Partnerorganisation APAF ist in 5 Regionen des Senegal aktiv und in allen sehen sich die Bäuer:innen mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert. Der Koordinator der NGO Mansour Ndiaye fügt den bekannten Fakten noch einige Details hinzu. Ein großer Teil des Ackerlandes bestehe aus ausgelaugten, nährstoffarmen Böden: Mit 2 ½ Millionen Hektar sind das 65,7 Prozent der insgesamt 3,8 Mio Hektar bebaubaren Ackerlandes. Außerdem hat der Senegal seit 1990 mehr als 7 Prozent seiner Waldflächen verloren - das sind 675 000 Hektar. Somit sind zwei Drittel des Senegal von Desertifikation und Wassermangel betroffen.
Dazu kommt, dass die Hitze das Arbeiten auf dem Feld unerträglich macht. Folglich bietet die Landwirtschaft keine Anreize mehr und ein Großteil der jungen Menschen wandert in die Städte ab, um andere Beschäftigungen zu finden. Fast ausschließlich ältere Menschen und einzelne Frauen bleiben in der Landwirtschaft zurück.

Mansour Ndiaye beklagt sich auch über Senegals Staat, der keine nachhaltigen Lösungen entwickelt. Mit manchen Aktionen schwäche der Staat sogar das Ernährungssystem. Beispielsweise wurde im Jahr 2000 ein Programm zur Phosphatdüngung durchgeführt, um die Bodenerosion zu bekämpfen. Das Programm scheiterte, weil die Bäuer:innen, nicht von der Methode überzeugt waren und deshalb nicht an dem Programm teilnahmen.


Warum nicht Hirse statt Reis?

Aktuell investiert der Staat in die Selbstversorgung mit Reis. Allerdings werden nicht alle Kleinbäuer:innen in das Programm einbezogen. Mansour Ndiaye stellt den Sinn dieses Vorgehens infrage, weil es Monokulturen fördert und damit erneut die Böden zerstört. „Warum Selbstversorgung mit Reis und nicht mit einheimischen Getreide?“

Mansour Ndiaye verliert jedoch nicht die Hoffnung und sieht in dem APAF-Ansatz, mit Düngerbäumen (Leguminosen) die Böden zu regenerieren, eine effiziente Lösung. Die Bäume und andere Pflanzenarten könnten bei Regen den Wasserabfluss stoppen und die Wassermengen, die im Boden gespeichert sind, zu maximieren.


Lokales Mikroklima gegen den Klimawandel

So würden nach und nach die Böden wieder aufgebaut, so dass die Landwirtschaft auch für junge Menschen attraktiv wird. „Wir müssen dabei die Bäuer:innen ins Zentrum stellen, sie sensibilisieren und bei ihren Aktivitäten begleiten. So können wir erreichen, dass unsere Dörfer wieder lebendig werden“, so Mansour Ndiaye.

Ergänzend dazu müssen auch die noch verbliebenen Baumbestände in der Region geschützt und durch Aufforstung mit Nutzbäumen vergrößert werden. Damit strebt APAF die Schaffung eines Mikroklimas in der Projektregion an, als lokale Lösung zur Anpassung an den Klimawandel.

Von Boubacar Diop und Nadja Kasolowsky

zurück:

Quellen:

Brüning, Loïc und Etienne Piguet 2018 : Changements environnementaux et migration en Afrique de l’Ouest. Une revue des études de cas. Belgeo. journals.openedition.org/belgeo/28836 ; DOI : 10.4000/belgeo.28836 (abgerufen am 01.05.2019)

Diallo, Alassane 2018: Changement climatique et migrations humaines au Sénégal : une approche en termes de vulnérabilité du système socio-écologique. Economies et fiances. Université Grenoble Alpes.

Gaye, Amadou Thierno, Henri Mathieu Lo, Souadou Sakho-Djimbira, Mor Sèye Fall und Ibrahima Ndiaye 2015 : Sénégal : Revue du contexte socioéconomique, politique et environnemental. PRISE, Dakar.

Lalou, Richard und Valérie Delaunay 2015: Migrations saisonnières et changement climatique en milieu rural sénégalais. Forme ou échec de l’adaption ? In : Sultan Benjamin (ed.), Lalou Richard (ed.), Amadou Sanni M. (ed.), Oumarou A. (ed.), Soumaré M.A. (ed.). Les sociétés rurales face aux changements climatiques et environnementaux en Afrique de l'Ouest. Marseille.

Wade, Cheikh Tidiane, Mamadou Dime, Aly Tandian und Lancelot Soumelong Ehode 2017 : État des lieux des liens entre migration, transferts et résilience au changement climatique au Sénégal. PRISE, Dakar.

zurück