02.04.2024 Am 2. April 2024 fand im Senegal die Amtsübergabe zwischen dem ehemaligen Präsidenten der Republik Macky Sall und dem neuen Präsidenten Bassirou Diomaye Diakhar Faye statt.
Letzterer wurde bei den Wahlen am 24. März 2024 im ersten Wahlgang mit 54,28 Prozent der Stimmen gewählt.
Amadou Ba, der Kandidat der Regierungskoalition Benno Bokk Yakaar, kam mit 35,79 Prozent auf den zweiten Platz. Keiner der übrigen 17 Kandidaten konnte die 3-Prozent-Hürde überspringen. Dies belegt die Polarisierung des politischen Lebens im Senegal in den letzten vier Jahren zwischen der regierenden Koalition und der Koalition um die Partei PASTEF, die von dem populären Oppositionspolitiker Ousmane Sonko angeführt wird. Amadou Ba bezeichnete sich als Kandidat der Kontinuität und Diomaye Faye als Kandidat der „Rupture“, was „Bruch“ bzw. Aufbrechen der überkommenen Verhältnisse meint. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,30 Prozent.
Um diesen demokratischen Machtwechsel zu erreichen, brachte die Bevölkerung viele Opfer. Mit Mut und Ausdauer stellten sie sich gegen das Streben Macky Salls nach einer dritten Amtzeit und gegen seine Repression.
Dessen letzte Regierungsjahre brachten der Demokratie viele Rückschritte. Sall, der zu Beginn seiner Amtszeit als Hoffnungsträger für die Jugend auftrat und eine tugendhafte Amtsführung propagierte, hat sich als Enttäuschung erwiesen. Das Ergebnis in beiden Bereichen war katastrophal. Mehr als 60 Menschen wurden bei öffentlichen Demonstrationen getötet, Hunderte schwer verletzt und Hunderte von politischen Gefangenen und anderen ins Exil gezwungen. Keine soziale Schicht wurde von den Entgleisungen des Sall-Regimes verschont. Journalist:innen, Oppositionelle, Akteure der Zivilgesellschaft und Aktivist:innen aus der Diaspora wurden massiv eingeschränkt. Selbst der Wahlsieger Bassirou Diomaye Faye befand sich bis acht Tage vor der Wahl im Gefängnis.
Bassirou Diomaye Faye, als Kandidat der nicht wählbaren PASTEF-Partei für die „Koalition Diomaye Président“ angetreten, ist nun mit 44 Jahren der fünfte Präsident der Republik Senegal. Und er steht vor großen Herausforderungen. Das Programm seiner Koalition betont die Vision eines gerechten, wohlhabenden und souveränen Senegal. Es verspricht institutionelle Reformen mit einer konsequenten Reduzierung der Befugnisse des Präsidenten der Republik. Die starke Stellung des Präsidenten wird als einer der Hauptfaktoren für bisherige Fehlentwicklungen im politischen System angesehen.
Ein weiterer Programmpunkt der siegreichen Koalition ist die lokale Wirtschaft und die Ernährungssouveränität. Konkret will das Bündnis auch die Verträge über Kohlenwasserstoffe (Gas und Öl) neu verhandeln und eine souveräne Geldpolitik einführen.
Unabhängig von den angestrebten Zielen bleibt die derzeitige wirtschaftliche und soziale Lage des Landes schwierig. Der Senegal ist auf dem Index für menschliche Entwicklung auf Platz 170 von 190 zurückgefallen. Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Jugendarbeitslosigkeit bestehen nach wie vor. Das Land ist überschuldet, der Schuldenstand hat 80 % des BIP erreicht.
Allein im Jahr 2023 haben 9.319 Menschen versucht, auf gefährlichen Fluchtrouten über den Atlantik nach Europa zu gelangen.
Zunächst will Bassirou Diomaye Faye Verbesserungen für die Landwirtschaft erreichen und den Industriesektor ausbauen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Während des Wahlkampfes hatte er die Notwendigkeit der Stärkung von bäuerlichen Familienbetrieben betont und als Ziel die Ernährungssouveränität genannt. Er verspricht, die Landunsicherheit der Kleinbauern durch tiefgreifende Reformen des Bodenrechts zu brechen. Denn seit dem Amtsantritt des liberalen Regimes von Abdoulaye Wade haben sich die Landnahme und die Vergabe großer Landflächen an nationale und internationale Privatunternehmen beschleunigt und die Bauern sind vom Verlust ihres Landes bedroht.
Diese Beispiele zeigen die enormen Aufgaben, die auf die neue Regierung warten.
Macky Sall und Abdoulaye Wade haben die Erwartungen der senegalesischen Bevölkerung nicht erfüllt. Beide haben am Ende ihrer Amtszeit die Demokratie in Frage gestellt. Aber die Senegales:innen legen großen Wert auf ihre demokratischen Errungenschaften. Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit, Rechenschaftspflicht, den verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern und die Unabhängigkeit der Justiz vom Präsidenten der Republik sind für sie hohe Güter.
Bassirou Diomaye Faye gilt als rechtschaffener Beamter. Er diente 15 Jahre lang als Hauptinspektor der Steuer- und Domänenverwaltung und verspricht eine transparente Amtsführung. Er ist der einzige der Kandidaten, der während des Wahlkampfs öffentlich sein Vermögen darlegte.
Es ist das erste Mal, dass die Senegales:innen einen Oppositionskandidaten im ersten Wahlgang wählen. Sie erhoffen sich von ihm einen grundlegenden Wandel.
Boubacar Diop
-----------------------------------------------------------------------------------------------------
27.03.2024 Am Sonntag den 24. März gaben die Bürgerinnen und Bürger Senegals, nach vielen Turbulenzen in den letzten Wochen, ihre Stimme für die diesjährige Präsidentschaftswahl ab. Bassirou Diomaye Faye, der Oppositionskandidat und enge Verbündete des inhaftierten Oppositionsführers Ousmane Sonko, gewann die Wahl mit überraschender Deutlichkeit. Damit gewinnt er, 10 Tage nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, eine der wohl richtungsweisendsten Wahlen in der Geschichte des Landes.
Vor einem Jahr war Bassirou Diomaye Faye noch verhältnismäßig unbekannt. Der 44-jährige studierte Steuerprüfer ist jedoch schon seit der Gründung der Partei PASTEF (Patriotes africains du Senegal pour le travail, l’éthique et la fraternité) auf der politischen Landkarte zu finden. Bis vor kurzem agierte er noch im Schatten Ousmane Sonkos, dem Gesicht der Partei. Das änderte sich vor rund 11 Monaten, als er wegen kritischer Aussagen gegenüber der Justiz festgenommen und seitdem urteilslos festgehalten wurde. Seither wurde auch er zu einer diskutierten Figur im politischen Gefüge Senegals.
Zu großer Bekanntheit gelangte er schließlich am 29. Januar. An diesem Tag rief Sonko dazu auf, bei der Wahl für seinen „kleinen Bruder“, wie er Faye nennt, zu stimmen. „Diomaye ist keine Wahl des Herzens, sondern eine Wahl der Vernunft. Wir werden unsere Ziele erreichen, wenn alle ihn unterstützen“, sagte Sonko in einem Video aus dem Gefängnis Cap Manuel im Süden Dakars.
Am 14. März, keine zwei Wochen vor der Wahl, kam Diomaye Faye unter dem von Macky Sall erlassenen und stark umstrittenen Amnestiegesetz frei. So gewann er, mit der Hilfe Sonkos, die Wahl und schlug den Kandidaten der Regierungspartei Amadou Ba deutlich.
---------------------------------------------------------------------------------------
11.03.2024 Am Sonntag, dem 25. Februar 2024, sollten die Wahlberechtigten des Senegal wie üblich den fünften Präsidenten der Republik seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1960 wählen. Doch leider blieben die Wahllokale geschlossen. Die senegalesische Opposition sowie ein Großteil der Zivilgesellschaft wie die Bewegung F24 und das Bürgerforum (Le Forum Civil) bezeichneten den Tag als einen Tag der demokratischen Trauer. Wieder einmal wurde eine der wichtigsten Säulen eines demokratischen Systems getroffen, nämlich das Wahlrecht.
Der einzige und alleinige Verantwortliche für dieses Wahlchaos ist Präsident Macky Sall, der am 3. Februar den Wahltermin einseitig auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Eine Entscheidung, die er selbst den Senegales:innen und dem Verfassungsrat nur schwer erklären kann.
Am 15. Februar erklärte der Verfassungsrat die Entscheidung der Nationalversammlung, die den Wahltermin auf den 25. Dezember 2024 verschoben hatte, für nicht verfassungskonform und erklärte sie für nichtig. In seiner Entscheidung wies der Rat die zuständigen Behörden sowie Macky Sall an, so schnell wie möglich einen neuen Wahltermin festzulegen, der nicht über den 2. April hinausgehen sollte. Die Amtszeit von Präsident Macky Sall endet offiziell am 2. April und gemäß Artikel 103 der Verfassung kann die Amtszeit des Präsidenten der Republik durch kein Gesetz verlängert oder verkürzt werden. Es handelt sich um eine unantastbare Bestimmung, die nicht geändert werden kann. In jedem Fall muss Macky Sall im April aus dem Amt scheiden.
Als Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsrats beschloss Macky Sall, wichtige politische Akteur:innen, also auch aus der Zivilgesellschaft, zu einem nationalen Dialog aufzurufen, um über das Datum der Wahlen und die Vorgehensweise bei der Organisation der Wahlen zu diskutieren. Er sagte, das Land müsse sich versöhnen und er sei bereit, seinerseits zu vergeben. In den letzten Tagen wurden zahlreiche politische Gefangene freigelassen.
Trotzdem zweifeln viele an der Aufrichtigkeit seiner Reden, die sich oftmals von seinen Taten unterscheiden. So nahmen von den 19 Kandidaten, die vom Verfassungsrat ausgewählt wurden, nur drei Kandidaten an dem nationalen Dialog teil, der am 26. und 27. Februar 2024 stattfand. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Bürgerforum, die F24 und das Kollektiv „aar sunu election“ (unsere Wahl schützen) boykottierten den Dialog.
28.02.2024: Unser Afrikareferent Boubacar Diop hatte das Glück, im Rahmen seines Projektbesuchs die Reaktion der Senegales:innen auf den Dialog direkt mitzuerleben. Er wurde über Facebook, Tik Tok, Fernsehen und Radio verfolgt und unter Palaverbäumen, unter Jugendlichen, die Ataya (Tee) machten, und sogar unter den ASW-Partnern diskutiert.
Die Ergebnisse des Dialogs sind enttäuschend: Die Befürworter des Dialogs legten den 2. Juni als neues Datum für die Wahlen fest und Macky Sall will ein Amnestiegesetz einführen, das alle Straftaten und Vergehen im Zeitraum von März 2021 bis Dezember 2024 betreffen soll. Das neue Datum wird wahrscheinlich erneut vom Verfassungsrat annulliert. Dies würde die Wahlkrise nur verlängern.
Zweitens halten mehrere Senegalesen den Entwurf für ein Amnestiegesetz für ungerecht. Es würde bedeuten, dass alle Morde, Straftaten und Verletzungen, die während der politischen Ereignisse begangen wurden, nie aufgeklärt werden und die Täter straffrei bleiben. Manche halten dies für ein Manöver, mit dem die Führer des Regimes der Justiz entgehen wollen. Die Familien der Opfer haben beim Internationalen Strafgerichtshof Klage eingereicht. In Senegal wurden bislang keine Ermittlungen eingeleitet, um die Umstände zu klären, unter denen mehr als 50 Jugendliche bei öffentlichen Demonstrationen getötet und Hunderte verletzt wurden. Da Macky Salls „Allianz für die Republik“ mit Unterstützung der „Senegalesischen Demokratischen Partei“ (PDS, von Abdoulaye Wade gegründet) über eine Mehrheit verfügt, wird das Amnestiegesetz, das am Mittwoch, dem 28. Februar, eingebracht werden soll, problemlos durchs Parlament gehen.
Inzwischen fordern die Senegales:innen die Wahrheit vor der Versöhnung und die Abhaltung der Wahlen vor dem 2. April. Der Ball liegt wieder beim Verfassungsrat, der sicherlich von der Opposition angerufen wird, sobald das Dekret zur Festlegung des neuen Wahltermins verkündet wird.
Mit Eingabe meiner E-Mail-Adresse willige ich ein, dass meine zuvor angegebenen Daten dazu genutzt werden dürfen, um mich noch individueller per Mail über Projekte der ASW zu informieren. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben, siehe www.aswnet.de/datenschutz. Diese Einwilligung kann ich jederzeit gegenüber der ASW widerrufen, z.B. über spenden(at)aswnet.de oder durch Austragen aus dem Newsletter.