Windkraft aus der Westsahara:

Deutschland und Spanien machen Zugeständnisse an Marokko

Führt der Ukrainekrieg dazu, dass sich Europa und Deutschland in neue energetische Abhängigkeiten von Autokraten begeben? Der Besuch des deutschen Wirtschaftsministers kürzlich in Qatar spricht dafür. Jetzt haben Deutschland und Spanien auch noch Zugeständnisse an den Windkraft-Hoffnungsträger Marokko gemacht. Die Botschaft: Der Westsaharakonflikt kann vielleicht auch unter Absehung vom Völkerrecht und nach Vorgaben aus Marokko ausgesessen werden. Marokko hält die Westsahara seit dem Abzug der Spanier 1975 besetzt.


Die Grüne Partnerschaft mit Marokko wurde im Juli 2021 geschlossen. Es war die erste Partnerschaft dieser Art im Rahmen des Green Deals, des EU-Fahrplans in Richtung Klimaneutralität. Auf dem Gipfel der EU und der Afrikanischen Union (AU) im Februar 2022 wiederholte Kommissionschefin von der Leyen die Bedeutung grüner Partnerschaften und bezeichnete die mit Marokko und Südafrika als richtungsweisend. „Um dem Klimawandel ein Ende zu setzen, braucht die Welt Afrika (…). Wir wollen, dass grüne Partnerschaften, wie wir sie mit Südafrika oder Marokko haben, auf dem gesamten Kontinent florieren.“

 

Windkraft – eigentlich eine gute Sache

Aus der Klimaperspektive scheint Marokko ein guter Partner, hat sich der Maghrebstaat doch ehrgeizige Ziele gesetzt und will den Anteil der Erneuerbaren bei der Stromerzeugung auf 52 Prozent seiner Kapazität steigern.

Fünf Windparks wurden im Rahmen des „Integrated Wind Energy Project“ in Auftrag gegeben, unter anderem in Midelt, Essaouira, Tarfaya, Tanger und Boujdour. Planung, Bau und Betrieb obliegen dem mit der Siemens-Tochter Siemens Gamesa  verbundenen Konsortium Nareva Holding - Enel Green Power, wobei das marokkanische Windenergieunternehmen Nareva dem König gehört. Enel ist eine italienische Unternehmensgruppe. Und Siemens-Gamesa ist ein deutsch-spanisches Joint Venture mit einem Siemensanteil von 67 Prozent und für das Offshore- und OnShore-Windkraftgeschäft verantwortlich.


Und wo liegt Südmarokko?

Problematisch ist dabei der Standort Boujdour, denn er liegt nicht im Staatsgebiet Marokkos, sondern in der besetzten Westsahara. Im Branchenbericht zu Siemens Gamesa auf der Seite GTAI (Germany Trade and Invest) wurde für diesen geographischen Ort die Formulierung „im Süden Marokkos“ gewählt. Laut Angaben der Nichtregierungsorganisation Western Sahara Resource Watch (WSRW) könnten bis zum Jahr 2030 bereits fast 50 Prozent der gesamten marokkanischen Windkapazität aus der besetzten Westsahara kommen.
 

Die Sahrauis haben ein Wort mitzureden

Das sollte auch die EU interessieren. Denn der Europäische Gerichtshof  in Luxemburg (EuGH) hat Teile der bisherigen Wirtschaftskooperation mit Marokko schon in mehreren Urteilen für rechtswidrig erklärt. So entschied der EuGH zuletzt am 29. September 2021, dass bei der wirtschaftlichen Nutzung der Ressourcen des besetzten Territoriums  die Zustimmung des Volkes der Westsahara eingeholt werden muss und dass eine bloße "Konsultation", auf die bislang verwiesen wurde, nicht ausreiche. Außerdem benannte dazu der EuGH ausdrücklich die Befreiungsbewegung POLISARIO als die Vertreterin des sahrauischen Volkes.

Dieses Urteil ernst zu nehmen hieße für die EU, sich für ihren Green Deal vielleicht andere afrikanische Partner als Marokko zu wählen. Und sich auch aktiv dafür einzusetzen, dass es zu einer friedlichen Lösung des Westsahara-Konfliktes auf Basis eines Referendums kommt, wie es die UNO seit 1992 vorsieht und wie es die POLISARIO seit 40 Jahren einfordert. Ein Einschwenken auf die Autonomievorstellungen Marokkos unter Ausblendung des Mitspracherechts der POLISARIO, wie kürzlich von Spanien und Deutschland getan, wird auf eine Fortschreibung des Konfliktes hinauslaufen, und kommt einer Anerkennung der repressiven kolonialen Landnahme gleich.

Erstellt am 11. April 2022

Siehe auch:
Erpressung und robuste Außenpolitik zahlen sich doch aus