Eine zögerliche UNO hatte seit dem Waffestillstand, der 1991 den 1975 begonnenen Krieg zwischen Marokko und der sahrauischen Befreiungsfront beendete, dabei zugesehen, wie Marokko immer neue vertragswidrige Fakten schuf. Sie hatte es auch zugelassen, dass der Maghrebstaat ein mit dem Waffenstillstand gekoppeltes Referendum über die Zukunft der Westsahara bis heute blockierte.
Zuletzt war es der UNO nicht einmal gelungen, einen neuen Sondergesandten für die Westsahara zu bestellen – der letzte, der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler, war bereits vor eineinhalb Jahren zurückgetreten.
Illegales Straßenprojekt Marokkos hat die Lage destabilisiert
Der aktuelle Krieg begann, als am 13.11. die marokkanische Armee in Verletzung des Waffenstillstandes in den Korridor von Guerguerat vordrang, um dort zivile sahrauische Demonstrant*innen zu verhaften. Sie hatten dort seit 21. Oktober gegen eine von Marokko illegal gebaute Straße protestiert. Obwohl die Polisario schon mehrfach betont hatte, sie werde ein Vorrücken marokkanischer Militärs nach Guerguerat nicht dulden, blieb die UNO untätig, als dies am Freitag geschah. Darauf erklärte die Polisario den Waffenstillstand unverzüglich für beendet und begann mit dem Beschuss marokkanischer Positionen jenseits des Sandwalls, der das von der Polisario befreite und das von Marokko besetzte Gebiet auf einer Länge von 2.700 km voneinander trennt .
Mit dem Bau der illegalen Straße hatte Marokko Anfang 2001 begonnen. Seitdem rollen über sie marokkanische LKWs durch das besetzte Gebiet nach Süden, queren den Gebietsstreifen von Guerguerat und bringen Waren nach Mauretanien. Dass dieser Streifen gemäß Waffenstillstandsvereinbarung eine entmilitarisierte Pufferzone ist, hat der Maghrebstaat dabei einfach ignoriert.
2017 hatte Marokko versucht, mit der Asphaltierung des 11 km langen Straßenabschnittes neue Fakten zu schaffen. Das forderte schon damals eine scharfe Gegenreaktion der Polisario heraus. 2017 standen sich bei Guerguerat marokkanische Truppen und Polisariokämpfer auf Tuchfühlung gegenüber. Es war die bis dato spannungsreichste Situation seit dem Waffenstillstand von 1991. Auf Vermittlung der UN hatten sich Polisario und marokkanische Truppen zurückgezogen, und die UNO hatte weitere Schritte eines Lösungsversuches angekündigt. Doch diese sind bis heute ausgeblieben.
UNO sah bei der „Normalisierung“ der Besatzung tatenlos zu
Auch andere Infrastrukturprojekte, haben dazu beigetragen, die marokkanische Besatzung zu normalisieren und zu legitimieren. Auch sie sind von den sahrauischen Behörden scharf verurteilt worden, wie z.B. der Bau eines neuen Hafens im besetzten Gebiet, etwa 70 km von der Sandmauer in Dakhla entfernt. Darüber hinaus errichteten Burundi, die Komoren, Côte d'Ivoire, Dschibuti, Gabun, Gambia, Guinea, Komoren, Liberia, die Zentralafrikanische Republik und São Tomé und Príncipe zwischen dem 18. Dezember 2019 und dem 12. März 2020 "Generalkonsulate" in Laayoune und Dakhla. Auch hier ist die UNO untätig geblieben.
Die aktuelle Eskalation in Guerguerat ist letztlich eine Folge dieses massiven UN-Versagens. Vor allem die jungen Sahrauis haben den Stillstand satt und wollen, statt nocheinmal 30 Jahre auf das versprochene Referendum zu warten, lieber zu den Waffen greifen. Der Krieg wird den Westsaharakonflikt zwar wieder in die Medien bringen und vielleicht auch die internationale Gemeinschaft und die UNO zu neuen Taten motivieren.
Aber die Sahrauis werden sich, anders als 1990, als sie den Frieden herbeisehnten, nicht mehr so schnell auf eine Verhandlungslösung einlassen, wie der Botschafter der DARS (Demokratische Arabische Republik Sahara; der 1976 von der Polisario ausgerufene Staat) in Südafrika, Mohammed Yessllam Beissat, am 14. 11. in einer Pressekonferenz in Johannesburg betonte . „Wir haben das Vertrauen in die UNO und die internationale Gemeinschaft verloren.“ Im schlimmsten Fall wird sich der Krieg also auf unbestimmte Zeit hinziehen.
Mehr Infos bei der Sahrauischen Nachrichtenagentur
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